Rezension

Wortgewaltig

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

Inhalt: April ist fort. Seit Wochen kämpft sie in einer Klinik gegen ihre Magersucht an. Und seit Wochen antwortet sie nicht auf die Briefe, die ihre Schwester Phoebe ihr schreibt. Wann wird April endlich wieder nach Hause kommen? Warum antwortet sie ihr nicht? Phoebe hat tausend Fragen. Doch ihre Eltern schweigen hilflos und geben Phoebe keine Möglichkeit, zu begreifen, was ihrer Schwester fehlt. Aber sie versteht, wie unendlich traurig April ist. Und so schreibt sie ihr Briefe. Wort für Wort in die Stille hinein, die April hinterlassen hat. (Quelle: lovelybooks.de)

Meine Meinung: Das ist wieder eines der Bücher, bei denen es mir sehr schwer fällt eine Rezension zu schreiben. Um es mit Phoebes Worten auszudrücken: Ich könnte gerade sehr gut einen Literaturagenten gebrauchen, der mit einem Aktenkoffer und einem Schmetterlingsnetz durch die Stadt streift und Wörter sammelt. Für mich, damit ich euch mit meinen Worten, so begrenzt sie auch sind, meine Gefühle für dieses Buch und meine Meinung dazu erzählen kann.

Werther hat es uns vorgemacht. Wir lieben Briefromane. Wieso? Weil Briefe so unglaublich ehrlich sind. Weil wir alle unsere Gefühle offenbaren können, wenn wir kein Gegenüber vor uns haben. Nein, wir schreiben einfach. Für uns oder für jemand anderen. Wir schreiben alles heraus, weil  es niemanden gibt der uns stoppt, der sagt Halt! Ich will davon nichts hören. Wir schreiben einfach und lassen alles raus. Und manchmal ist das auch wichtig. Sehr wichtig sogar. So wichtig, wie bei Phoebe und April. Zwei Geschwister so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Doch so wie der Tag die Nacht braucht, braucht April Phoebe und Phoebe braucht April. Doch das einzige was ihnen bleibt sind Briefe, seit April in einer Klinik ist, da sie magersüchtig ist und Phoebe zu Hause sitzt, wo alles zerbricht ohne ihre Schwester, ihren Anker.

Und eben weil Briefe so unglaublich ehrlich sind und weil Phoebe und April nur noch Briefe haben um einander nah zu sein, bekommen wir die volle Gefühlsladung von ihnen. Trauer, Wut, Verzweiflung aber auch Freude, Glück und Besonderheiten. Das alles findet Platz in ihren Briefen, in Worten, die uns Lachen und Weinen lassen, uns aufatmen lassen oder uns verzweifeln lassen. Aber vor allem eins machen sie: Nachdenklich.

Wortgewalt. Das ist das Wort, was gerne benutzt wird um Phoebes Aufsätze oder Briefe zu beschreiben. Von Frau Neumann, ihrer Deutschlehrerin, von Jerry, dem Vater ihrer Freundin aber auch von April. Wortgewalt ist das was Phoebe hat. Und Lilly Lindner. Denn Phoebes und Aprils wundervolle und gewaltigen Worte stammen aus keiner anderen Feder als Lilly Lindners. Sie ist ein Ausnahmetalent, kann so gut mit Wörtern umgehen wie keine andere und ist schuld daran, dass ich dieses Buch so liebe. Danke Lilly Lindner, für dieses wundervolle Buch, zu dem mir weitere Worte fehlen.

Und weil mir die fehlen habe ich noch Zitate für euch. Zwar hätte ich hunderte herausschreiben können, geben tue ich euch aber nur 5, ihr lieben Wörterverrater und Geschichtenfänger:

Seite 60: Und wenn ich verschwunden bin, wer sucht nach mir?
Wenn alle die Augen verschließen.
Bin ich unsichtbar.

 

Seite 121: Und dann hat Frau Neumann noch gesagt, ich hätte Wortgewalt.
Es klang, als wäre ich kriminell.
Dabei schreibe ich doch nur Briefe.

 

Seite 127: Die Zeit zu schätzen ist nicht leicht wenn sie stillsteht.

Seite 251: Liebe Phoebe, deine Briefe zu lesen ist wie Urlaub in Buchstaben zu machen.

Seite 377: Phoebe, du wirst es schaffen, denn du hast jemanden, der dich findet. Zwischen all deinen Worten und jedem falsch gesetztem Komma.

 

Bewertung: Dieses wortgewaltige und wundervolle und emotionale Buch von Lilly Lindner hat mich sprachlos gemacht. Mir fehlen die Worte. Ich kann nicht anders und muss diesem Buch 5 von 5 Füchschen geben. Es hat mich verzaubert und sollte in mehr Bücherregalen zu finden sein.

Vielen Dank an den Fischer Verlag, der mir das Buch als *Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.