Rezension

Wortgewaltiger kann ein Roman nicht sein

Epilog mit Enten
von Sabine Friedrich

Es ist Winter, es ist kalt und ungemütlich. Nichts, was Euch aufwärmen könnte, wenn da nicht auf einmal dieser überwältigende, berührende, aufregende und vorallem wärmende Roman von Sabine Friedrich auf den Tischen der Buchhandlungen liegen würde. Noch nie habe ich dazu aufgerufen, ein Buch lesen zu müssen. Diesen Roman aber solltet Ihr lesen, nicht nur, dass er mit großer Sicherheit, wenn nicht, dann werde ich an einem Besen knabbern, auf der Longlist landen wird, er wird Euch ohne Kitsch und Liebesgedusel eine atemberaubende Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen näherbringen und Roadmovie zugleich sein. Macht es Euch für die nächsten Stunden gemütlich, ihr werdet das Buch nicht mehr aus den Händen legen wollen.

Berlin, Mitte der 70er Jahre, ein glühendheißer Sommer. Die volljährige Sylvia lernt in einem Club den 25-jährigen Gabriel kennen. Das Anderssein Gabriels ist es, was Sylvia anzieht. Er ist rebellisch, klug und bemerkenswert charmant. Obwohl beide völlig anders sind, träumen sie doch beide von der Freiheit, der Unabhängigkeit und von dem Aufbruch in eine für sie andere, neue und vielleicht sogar bessere Welt. Wie in dieser Zeit für viele Hippies üblich, machen auch sie sich per Überlandroute auf den Weg nach Indien. So durchkreuzen sie fremde Länder, stoßen auf völlig andere Kulturen, finden sich nicht nur einmal auf holprigen, fernab von der Zivilisation befindlichen Straßen wieder und erleben diese intensive Zeit, mit all ihren Höhen und Tiefen, wie einen einzigartigen, atemberaubenden Fluss und Rausch.
Vier Jahrzehnte später lässt Sylvia diese intensive Zeit Revue passieren. Sie blickt zurück auf ihre Jugend, ihre Erfahrungen während der Reise nach Indien, auf ihre Ehe mit Gabriel, die Geburt der wundervollen Tochter, auf den Schmerz der Trennung und dem Warum. Als sie erfährt, dass Gabriel schwer erkrankt ist und im Sterben liegt, nimmt sie noch einmal Kontakt zu ihm auf, um ihrer beiden Lebensgeschichte ein positives Ende zu verleihen. Eine Geschichte zweier Liebenden, die all das widerspiegelt, was eine wahre Liebe ausmacht - Sehnsüchte, Moral, Träume, Harmonie, Geborgenheit , Wut und Verlust.

Ein Roman voll von Poesie, unendlicher Leidenschaft und der Suche nachdem, was uns alle ausmacht. Gefühlvoll und so brilliant erzählt, dass ich der Autorin Sabine Friedrich meinen höchsten Respekt für diese wortgewaltige Geschichte ausspreche. Noch nie zuvor habe ich ein Buch in den Händen gehabt, dass die Beziehung zwischen Mann und Frau so warm und voll von Herzenswärme erzählt, ohne dabei schwulstige Gefühlsduseleien aufkommen zu lassen. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können, sich auf einen Lebens- und Roadtrip begeben und sich leidenschaftlicher gegenseitg nicht kennenlernen können. Leidenschaft, ein großes Wort, das durch diesen Roman endlich Bedeutung und Erfüllung findet. Sabine Friedrich lässt uns warme Tränen weinen und amüsiert uns im nächsten Augenblick auf fabelhafte, imposante Art und Weise.

Dieser wortgewaltige und ausdrucksstarke Roman möchte gesungen werden - ein Lied des Lebens, das keine Strophe auslässt. Hohe, wie auch  endlos tiefe Töne würden dem Lied all das verleihen, was ein Lied zu einem Jahrhundertsong werden lässt. In diesem Falle aber ein Buch, das den Deutschen Buchpreis verdient hat - komme was das wolle in diesem noch jungen Bücherjahr!

Ein überwältigender Roman und eine Autorin, der ich danke und mich vor ihr verneige. Chapeau!