Rezension

Wortgewaltiger Mystery-Thriller

Der wandernde Krieg: Sergej - Michael Schreckenberg

Der wandernde Krieg: Sergej
von Michael Schreckenberg

Bewertet mit 5 Sternen

Sergej, der eigentlich Sebastian heisst, kann durch einen mehr oder weniger glücklichen Zufall aus der geschlossenen Psychiatrie entkommen. Dass er dort für viele Jahre gefangen war, verdankt er einer alten und bitterbösen Geschichte aus seiner Vergangenheit. Er befand sich vor langer Zeit bereits auf einem gnadenlosen Rachefeldzug, den er nun zu beenden gedenkt. Ein eingeweihtes, befreundetes Paar verhilft ihm zu einer neuen Identität und steht auch sonst an seiner Seite. Sergej nimmt seine Rachepläne wieder auf und beginnt, ohne es gleich zu merken, Teil eines uralten Krieges zu werden. Das kleine Städtchen Langenrath ist dazu bestimmt, der Schauplatz für einen finalen, apokalyptischen Kampf zu werden, dessen Teilnehmer schon seit Anbeginn der Zeit feststehen. Sergej ist einer von ihnen.

“Der wandernde Krieg” ist mein zweiter Roman von Michael Schreckenberg. Nachdem mich bereits “Der Finder” wirklich begeistert hat, konnte ich eigentlich nicht anders, als mich auf den vorliegenden Roman zu freuen.

Gleich auf den ersten Seiten hatte Herr Schreckenberg mich bereits im Sack. Der Protagonist Sergej/Sebastian ist ein intelligent gezeichneter Charakter, der schon zu Anfang mit einer gelungenen Mischung aus Gefahr und überlegener Stärke überzeugt. Dieser dunkle und vom Schicksal geschlagene Mensch fasziniert den Leser und fesselt ihn an die Geschichte, die diesen Charakter begleitet. 
Erst mit dem Auftauchen von Erin, zeigt Sergej auch etwas von seiner ursprünglichen, weichen Seite, die vor seinem Aufenthalt in der Psychiatrie typisch für ihn war. 
Erin ist in diesem Roman der sympathische, ruhende Pol. Sie verschafft Sergej und dem Leser Entspannung und Momente der Reflektion.
Auch die anderen Protagonisten dieser Story sind präzise gezeichnete Charaktere, die man beim Lesen klar vor sich sieht. 
Bei Bodo von Reudh hingegen war ich mir bis zum Schluß nicht sicher, mit wem oder was ich es genau zu tun hatte. Das war ein wichtiger Teil der Spannung, die bis zum Ende erhalten blieb. 

Und diese Spannung war – anders kann ich es nicht sagen – genial konstruiert. 
Michael Schreckenberg wechselt anfangs zwischen den einzelnen Handlungssträngen, indem er jedem Abschnitt lang und ausführlich gestaltet. Diese Abschnitte werden mit der Zeit immer kürzer und die Wechsel zwischen den Handlungssträngen geschehen häufiger. Als Leser spürt man, dass sich etwas Gigantisches zusammenbraut und der finale Showdown immer näher rückt. Da entwickelt sich eine Wandlung der Protagonisten selbst und ihren Beziehungen zueinander, die von Seite zu Seite intensiver wird. Dadurch baut sich eine faszinierend angespannte Atmosphäre auf, so dass man schließlich die drohende “Explosion” regelrecht herbeisehnt. 

Der Showdown ist schließlich auch intensiv und gewaltig und erfüllt damit komplett meine Erwartungen, die sich während des Lesens entwickelt haben. 

Ich möchte gerne noch kurz auf den Schreibstil zu sprechen kommen. 
Michael Schreckenberg ist in der Lage, Bilder im Kopf der Leser entstehen zu lassen. Angefangen bei der fiktiven Umgebung und aufgehört bei den inneren Zwiegesprächen der Charaktere, hat für mich in jeder Hinsicht alles gestimmt. Mit viel Gefühl und wunderbarer sprachlicher Wortgewalt zeigt Michael Schreckenberg, dass nicht alle großen Autoren unbedingt aus Amerika kommen müssen.
Immerhin hat er satte 14 Jahre lang an diesem Werk gearbeitet, und das Ergebnis kann sich wahrlich sehen lassen.

Mein einziger Kritikpunkt geht leider an den Verlag, denn der Roman war fürchterlich klein gedruckt und für mich ohne Lesebrille nicht zu schaffen. Das hat das Lesevergnügen ein wenig getrübt und leider auch unnötig verzögert.

Fazit:
“Der wandernde Krieg – Sergej” ist ein wortgewaltiger Mystery-Thriller, der mit einem nahezu unerträglichen Spannungsbogen eine unglaubliche Geschichte erzählt. Dafür gibt es von mir eine klare Leseempfehlung.

Kommentare

Asterix kommentierte am 04. November 2013 um 20:53

Ich kann "Horror und more" voll und ganz zustimmen, meine Rezension würde ähnlich ausfallen, daher wiederhole ich die obige hier jetzt nicht. Mir ging es genauso - Michael Schreckneberg ist ein toller Geschichtenerzähler, er zaubert Bilder der Figuren und Szenen in meinen Kopf und schafft es in den einzelnen Kapiteln unterschiedliche Stimmungen entstehen zu lassen, je nachdem, welche Figur gerade die dort Handelnde ist. Das Ganze ist nicht nur toll geschrieben, sondern auch in sich schlüssig und lässt dennoch Raum sich eigene Bilder vorzustellen. Oftmals werden Szenen nur angedeutet, oder es gibt Sprünge, wo man sich wünscht, da hätte er noch viel mehr zu schreiben können. Aber diese Sprünge sind keine Brüche in der Geschichte, ich bedauere es eher, das das Buch dadurch schneller vorbei ist. Auch begrüße ich es sehr, das Gewaltszenen nicht unnötig ausgeweidet werden, sondern nur angedeutet werden, jedoch das Buch dadurch nicht an Spannung verliert. Eine Kunst die Michael Schreckenberg sehr gut beherscht. Eine tolle Geschichte in einer schönen wohlformulierten Sprache, der ich nur noch viele weitere LeserInnen wünsche.