Rezension

Würdevoll

Was vom Tage übrigblieb - Kazuo Ishiguro

Was vom Tage übrigblieb
von Kazuo Ishiguro

Bewertet mit 4 Sternen

Schon lagen wollte ich Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro kennenlernen und mit „Was vom Tage übrig blieb“ hat das dieses Jahr nun endlich geklappt! Und so viel sei verraten: Es wird nicht mein letztes Buch von ihm bleiben!

Aus unerfindlichen Gründen üben große Herrenhäuser, die strenge britische Etikette und eben Butler und Bedienstete eine gewissen Faszination auf mich aus. Und tatsächlich fand ich es sehr interessant einen unverkitschten Einblick in diese sehr eigene Welt zu erhalten.

Ishiguros Hauptfigur Stevens ist ein Butler mit Leib und Seele. Schon sein Vater war Butler und er nimmt seine Stellung sehr ernst. Wobei „Stellung“ nicht ausreichen beschreibt, was es für Stevens bedeutet Butler in einen so angesehenen Haus zu sein. Er gönnt sich keine privaten Momente, kaum private Gedanken, denn wenn man in das "Butler sein" wie in eine Rolle hinein- und wieder hinausschlüpfen kann, kann man kein richtiger Butler sein. Es ist eine Lebenseinstellung, die Stevens komplett ausfüllt.

Besonders die Gespräche über eine bestimmte Würde, die ein guter Butler ausstrahlen muss und auf die Stevens immer wieder zurückkommt, fand ich interessant. Sein Leben lang versucht Stevens diesen Begriff von Würde zu definieren. Hier kommt man als Leser uns Grübeln: Kann man wirklich nur gut in diesem Beruf sein, wenn man nie privat ist? Ist es das Wert? Und wann ist es zu spät umzudenken? Ist es Loyalität stumm zu folgen?

Die Szenen aus seinem Leben die er beschreibt, sind zwar alle von seiner berufsbedingten Förmlichkeit geprägt aber sehr aufschlussreich. Es ist herzzerreißend zu lesen, wie Stevens seine Gefühle scheinbar kinderleicht aussperrt aber irgendwo tief unter der Oberfläche doch weiß, dass sie da sind. Dazu ist der Roman wunderbar geschrieben: Kein Wort ist zu viel aber es steht umso mehr zwischen den Zeilen. Der Ton war unglaublich authentisch. Dem Roman im Original zu lesen muss eine Freude sein.

Ich kann es letztlich nicht besser formulieren als der Klappentext:
"Was vom Tage übrigblieb" ist ein formvollendeter gesellschaftskritischer Roman, erzählt von einem, der sich eine solche Kritik nie erlauben würde, und eine wunderschöne, traurige Liebesgeschichte, erzählt von einem, der nie auch nur ahnte, dass er liebte.