Rezension

Wunder passieren nur ganz selten – aber sie passieren!

Cranberrysommer - Irene Hannon

Cranberrysommer
von Irene Hannon

Wunder passieren nur ganz selten – aber sie passieren!

„Sorgen lassen sich nur schwer abschütteln, egal, wie stark der Glaube eines Menschen ist. Kluge, fähige, kompetente Menschen wie wir wollen die Sache gern selbst in die Hand nehmen und sofort eine Antwort bekommen. Das Problem ist nur, dass Gott meist einen anderen Zeitplan hat als wir.“ (Bud Sheldon)

Der Geschäftsmann Michael Hunter aus Chicago nimmt eine weite Fahrt auf sich, um in den malerischen Küstenort Hope Harbour zu gelangen. Er hat sich in seinem Job beurlauben lassen und möchte durch diese Reise sein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Doch seine Ankunft scheint unter keinem guten Stern zu stehen – das reservierte Zimmer im einzigen Hotel ist plötzlich nicht mehr verfügbar, durch eine unachtsame Bewegung bringt er eine Fahrrad fahrende junge Frau zu Fall und seine versuchte Entschuldigung vergrößert das Schlamassel sogar noch ein wenig. Eine zufällig vorbeikommende ältere Dame namens Anna Williams erfährt von Michaels Dilemma und bietet ihm nach kurzem Zögern ein leerstehendes Appartement zur Miete an. Michael hat mit Schatten aus der Vergangenheit zu kämpfen und möchte in Hope Harbor Antworten finden, Trost, Vergebung und Absolution erlangen. Und obgleich er im Grunde kein Freund spontaner Entscheidungen ist, geht ihm die Frau auf dem Fahrrad nicht mehr aus dem Kopf. Er findet ihren Namen heraus und macht sich auf die Suche nach Tracy Sheldon Campbell, um sich in aller Form zu entschuldigen. Doch auch Tracy lebt mit großen Schuldgefühlen und obgleich zwischen ihr und Michael eine gegenseitige Anziehung besteht, haben beide nicht die Absicht, sich wieder zu verlieben und für eine neue Beziehung zu öffnen. Tracys Leben besteht im Grunde nur aus Arbeit. Neben ihrem erlernten Beruf einer Buchhalterin arbeitet sie täglich unzählige Stunden auf der Cranberryfarm, die ihre Großeltern gegründet hatten und die nun von Tracy und ihrem Onkel Bud im Alleingang bewirtschaftet wird. Ihre verbleibende karge Freizeit widmet die einfühlsame und intelligente junge Frau als ehrenamtliche Mitarbeiterin dem Projekt „Helfende Hände“. Doch als unvorhergesehene Ereignisse beinahe zum finanziellen Ruin der Farm führen, scheint Tracy am Ende ihrer Kräfte.

Irene Hannon erzählt in diesem Roman eine sehr berührende Geschichte von großer Schuld, Vergebung und Versöhnung und widmet hierbei ihren drei Protagonisten Tracy, Michael und Anna die größte Aufmerksamkeit. Die exzellente Charakterzeichnung der handelnden Figuren äußert sich durch große Authentizität und die emotionale Einbeziehung und Identifizierung durch die Person des Lesers. Diese akribische und liebevolle Darstellung der Hauptfiguren wird jedoch auch den Nebenfiguren zuteil. Der Autorin ist ein sehr einnehmender Schreibstil zu eigen, sie versteht es vortrefflich, die Beweggründe und Emotionen ihrer Figuren zum Ausdruck zu bringen. Die Ursache von Michael Hunters Schuldgefühlen werden ebenso wie jene von Tracy Campbell behutsam aufgerollt und der Leser erhält nach und nach Einblicke in die Vergangenheit der beiden. Anna Williams durchlebte in dieser Geschichte die größte Wandlung– sie war für mich zugleich auch jene Figur, die ich am meisten ins Herz geschlossen hatte. Das ruhige, vorhersehbare Leben der alten Dame, die sich in ihre selbst auferlegte Isolation zurückgezogen hat, sehr wenig spricht und sich abweisend und unpersönlich verhält, wird durch Michaels Ankunft in Hope Harbor ebenfalls völlig auf den Kopf gestellt. Obgleich ich behaupten möchte, dass Irene Hannon sich sämtlichen Figuren mit der gleichen Zuwendung widmet, empfand ich den philanthropischen Taco-Koch und erfolgreichen Künstler Charley Lopez als herausragendes Beispiel eines klugen, charmanten, liebevollen und vor allen Dingen von großem Gottvertrauen erfüllten Menschen. Auch Traceys Onkel Bud rangierte sehr hoch in meiner Beliebtheitsskala, seine mitfühlende und fürsorgliche Art empfand ich als herzerweichend, und zugegebenermaßen an einigen Stellen zu Tränen rührend.

Fazit: „Cranberrysommer“ ist ein großartiges Buch einer Autorin, die ich sehr zu schätzen weiß und deren Romane ich unglaublich gerne lese. Der wundervolle und emotionale Schreibstil, die Einbindung gewichtiger Themen wie Schuld, Vergebung und Versöhnung, der hohe Stellenwert des christlichen Glaubens und die hervorragend charakterisierten handelnden Personen bescherten mir ein Lesevergnügen der ganz besonderen Art. Ich kann diese Lektüre, die mir ausgezeichnet gefallen hat, uneingeschränkt weiterempfehlen und freue mich bereits auf die nächsten Bücher aus der Feder Irene Hannons.