Rezension

wunderbar lebendiger Historischer Roman über das Leben einer Henkerfamilie

Henkersmarie - Astrid Fritz

Henkersmarie
von Astrid Fritz

Bewertet mit 5 Sternen

Astrid Fritz führt uns in die Zeit um 1533 nach Rothenburg, wo die kleine
Maria mit ihren Geschwistern als Henkerstochter lebt. Maria und ihr
jüngerer Bruder Jonathan wachsen behütet auf, der etwas ältere Veit
ist mit seinen sieben Jahren schon ein Hansdampf in allen Gassen.
Über den Beruf ihres Vaters hat die fünfjährige Maria keine genaue
Vorstellung, bis zu dem Tag an dem sie der ältere Bruder mit zum
Richtplatz schleppt. Das Bild, das Maria bis dahin von ihrem Vater
hat, gerät ins wanken, zu klein ist sie noch um zu verstehen,
weswegen er ein so grausiges Handwerk ausüben muss. Dabei ist ihr
Vater ein liebevoller und empfindsamer Mann, der leidet wenn er sein
Amt als Henker ausführt. Die Jahre vergehen, dann taucht ein
geheimnisvoller Fremder auf und die Familie zieht Hals über Kopf ins
entfernte Hall. Nur vage begreift Maria, dass ihr Umzug mit dem fremden
Mann zu tun hat.

Das Leben in Hall ist für Maria schwer bis unerträglich, werden sie doch von den Nachbarn gemieden wie die Pest. Die Kinder wollen nicht mit ihr spielen, die Regeln die ein Henker und seine Familie befolgen müssen sind strenger als in Rothenburg. Veit ist im Gegensatz zu Maria stolz auf den Beruf des Vaters und wird nach kurzer Schulzeit vom Vater als Henkersknecht ausgebildet. Maria hingegen wird zu Hause von der Mutter unterrichtet, die wenigen Tage in der Schule, die Anfeindungen der anderen Kinder und die Ausgrenzung waren für sie unerträglich. Die Mutter unterrichtet sie in Lesen und Schreiben, in Kräuterkunde und bringt ihr das Zubereiten von diversen Salben und Arzneien bei. Die Jahre vergehen, doch wieder werden sie von der Vergangenheit eingeholt und wechseln nochmals den Wohnort....

Die Autorin hat mit "Henkersmarie" einen wunderbar lebendigen und sehr gut recherchierten Historischen Roman verfasst, in dem man viel Wissenswertes über den damaligen Beruf des Henkers erfährt. Man beobachtet die kleine Maria beim Heranwachsen und lernt durch ihre Augen, was der Beruf des Henkers beinhaltet und welche Schattenseiten er birgt. Die Henker gehörten zu den Unehrlichen, keiner wollte mit ihnen zu tun haben und  es schmerzt, wie die kleine Maria darunter leidet. Nichts wünscht sie sich mehr, als keine Henkerstochter zu sein. Im Verlauf wird ihr klar, dass das Schicksal für sie nur einen Henker zum Mann bietet. Doch damit gibt sie sich nicht zufrieden.

Die Figuren sind wunderbar lebendig beschrieben, die Charaktere der einzelnen sehr gut herausgearbeitet. Der Vater ist ein einfühlsamer Mann, Marias Mutter ist  still, in sich gekehrter und leidet oft unter ihren trüben Stimmungen - Depressionen. Sie hütet ein Geheimnis, von dem ihre Kinder nichts ahnen. Auch die Kinder sind ganz unterschiedliche Charaktere. Während Maria zwar lebhaft, aber doch etwas zurückhaltend ist und unter dem Beruf des Vaters leidet, ist Veit das genaue Gegenteil. Er brennt darauf selbst Henker zu werden, doch ihm scheint es mehr um die Macht über Leben und Tod zu gehen, noch  fehlt ihm das Mitgefühl des Vaters. Jonathan als Nesthäkchen hingegen ist ein zartes vergeistigtes Kind.

"Henkersmarie" ist ein Buch bei dem ich vollkommen in diese längst vergangen Zeiten eintauchen konnte. Vor dem historischen Hintergrund entfaltet sich die fiktive Geschichte um Maria. Die Sprache ist der Zeit angemessen, das Leben in den unterschiedlichen Städten wunderbar detailliert beschrieben. Die beschwerlichen Wanderungen zu Fuß mit dem Henkerskarren von Stadt zu Stadt, das Standesdünkel, die Vorurteile mit denen die Familie zu kämpfen hat - das alles kommt so plastisch und lebendig rüber, dass die Seiten nur so dahin fliegen.

Fazit: Die Geschichte um Maria gehört zu meinen Lesehighlights für dieses Jahr. Nach langer Zeit wieder einmal ein Historischer Roman, der mich vollkommen begeistern konnte.