Rezension

Wunderbare Familiengeschichte

Effingers - Gabriele Tergit

Effingers
von Gabriele Tergit

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich bin etwas erstaunt darüber, dass dieses Buch hier noch nicht rezensiert wurde, denn es wurde ja in allen Feuilletons mit Lobeshymnen überschüttet. Und das zu Recht! 

Das Buch erschien schon 1951 in einer kleinen Auflage und verschwand dann schnell, weil die Zeit wohl noch nicht reif war. Nun ist eine neue Auflage erschienen und sehr erfolgreich.

Paul Effinger geht 1878 aus seinem Heimatort Kragsheim in Franken nach Berlin, um dort sein Glück zu machen. Gemeinsam mit seinem Bruder Karl baut er eine Fabrik auf, stellt zuerst Schrauben, später Automobile her. Beide heiraten in die vornehme Bankiersfamilie Oppner ein und kommen damit in die gehobenen Berliner Kreise, in denen Geld keine Rolle spielt, aber Konvention alles ist. Die Männer der Familie gehen den Bankgeschäften nach, die Frauen kaufen ein und repräsentieren. Das wichtigste Ziel einer Frau ist es eine gute Partie zu machen, viele Ehen werden arrangiert. Doch irgendwann beginnt schleichend der Niedergang der Familien, als die jungen Leute Geschmack an neuen Ideen wie dem Kommunismus finden und die Frauen studieren oder einen Beruf ergreifen wollen. Als die Nationalsozialisten erstarken, wird die Lage immer schwieriger.

Über vier Generationen zeichnet das Buch den Weg der Familien nach, von der Aufbruchstimmung der Gründerzeit über den 1. Weltkrieg bis zum Nationalsozialismus mit allen Schrecken.

Knapp 900 Seiten in 151 Kapiteln sind nicht einfach zu füllen, aber Gabriele Tergit gelingt es fast mühelos. Der Aufstieg und der tiefe Fall der Familien Oppner und Effinger wird historisch genau und sehr detailreich geschildert. Dabei ist ihr Stil sehr gut zu lesen und die Figuren werden zu guten Freunden und sehr lebendig. Tergit bedient sich einiger sehr raffinierter Stilmittel: wie ein Refrain wiederholen sich bestimmte Sätze im Laufe des Buches und geben ihm damit einen ganz eigenen Rhythmus.

Das Nachwort von Nicole Henneberg ordnet das Buch historisch ein und macht es noch einmal verständlicher.

Ein wirklich wunderbares Buch für alle, die die Geduld für ein so umfangreiches Buch mitbringen. Durchhalten lohnt sich!