Rezension

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Wunderbare Geschichte auf den letzten Metern versaut

Ein Leben mehr - Jocelyne Saucier

Ein Leben mehr
von Jocelyne Saucier

Bewertet mit 3 Sternen

In „Ein Leben mehr“ erzählt Jocelyne Saucier die Geschichte dreier Männer, die sich in die Einsamkeit der kanadischen Wälder zurückgezogen haben. Jeder hat andere Gründe für die Flucht in die Natur aber sie alle schätzen ihre Einsiedelei und sind zufrieden miteinander. Doch kurz nacheinander stoßen zwei Frauen in Toms, Charlies und Teds kleines Paradies und bringen ordentlich Wirbel in deren ruhigen Alltag.

Der Roman fing ganz wunderbar an und ich habe die erste Hälfte komplett an Stück verschlungen. Die Fotografin, das Versteck mitten im Wald, die eigenen aber sympathischen alten Männer, die Geschichte um den Großen Brand von Matthesen, das verfallene Hotel, Marie-Desneige, die Gemälde, die Natur; das hat mir alles ausgesprochen gut gefallen. Die verschiedenen Arten von Freiheitsdrang die sich in diesem Haufen von zusammengewürfelten Leuten offenbaren: Toll. Wie die Gruppe immer mehr zusammenwächst: Toll. Die Koketterie mit Alter und Tod: Auch toll. Doch dann kamen die letzten 20 Seiten, die mir komplett den Spaß an der Geschichte genommen haben. Die einzige Figur die gegen Ende meines Erachtens noch sinnvoll gehandelt hat war die Fotografin. Aber Tom, Charlie und Marie-Desneige? Ihre Beweggründe waren einfach an den Haaren herbeigezogen! Hier wollte Saucier ein bestimmtes Ende und hat alles darauf hingebogen.

- Spoiler ahead -

Und, tut mir leid, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass ein paar alte Leute, von denen zwei jahrelang in und mit der Natur gelebt haben mal eben so drei Hunde mit Strychnin vergiften, einfach weil ihre Herrchen tot oder aktuell abwesend sind. Und das in keinster Weise kritisch hinterfragt wird. Musste halt sein. Ein Hund reicht ja. Vergifte ich die anderen eben ohne Not. Und warum? Weil man irgendwo hingehen will, wo man sich Autos angucken kann?! Damit der Plot passt und die Fotografin zwei Gräber findet anstatt eins und falsche Schlüsse zieht? An der Stelle habe ich einfach jedes Verständnis für Autor und Charaktere verloren.

- Spoiler ende -

Ich habe nichts gegen ein tragisches Ende, ich mag melancholische Geschichten. Aber die Art und Weise wie hier letztlich miteinander umgegangen wird, hat mir den Spaß an der vorher so schön aufgebauten Freundschaft unter den Charakteren verhagelt. Erst haben mir die Informationsbröckchen gefallen, die Saucier über die Charaktere streut und ich wollte gerne mehr erfahren. Am Ende waren sie mir egal. Unheimlich schade um diese schöne Geschichte.