Rezension

wunderbare Umsetzung – Spiegel deutscher Geschichte

Die Spionin der Charité - Christian Hardinghaus

Die Spionin der Charité
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Bern im Jahr 1974: Lily Kolbe erklärt sich zu einem Interview mit dem Journalist Eddy Bauer, der für die New York Times arbeitet, bereit. Darin soll es um ihre Arbeit in der Charité als Sauerbruchs persönliche Sekretärin und um den Widerstand mutiger Menschen in seinem Umfeld gehen. Ganze 4 Tage sitzen sie zusammen und Bauer nimmt alles auf Band auf.

Geschickt lässt der Autor den Leser an den lebendigen Schilderungen Lilys teilnehmen. Dabei geht er so detailliert auf die damaligen Verhältnisse in der Charité, auf die starke Persönlichkeit Sauerbruchs, seinen Erfindergeist, seine Beharrlichkeit bei der Verfolgung seiner ethischen Ziele vor, dass dieser Arzt meine volle Bewunderung genießt. Aber auch negative Charaktere hat der Autor so treffend beschrieben, dass wann immer ich den Namen de Crinis las, bei mir unterschwellig Groll aufzog.

Ich muss zugeben, dass ich im Vorfeld den Film im Fernsehen gesehen habe und beim Lesen mir immer diese Schauspieler vorgestellt habe. Das war aber nicht störend. Ich habe beides >Film und dieses Buch< als Einheit empfunden. Interessant fand ich den Donnerstagskreis. So unterschiedliche Menschen, mit so unterschiedlicher Herkunft und auch so unterschiedlichen Zukunftsplänen und doch vereint in dem Ziel dieser Terrorherrschaft zu einem schnelleren Ende zu verhelfen und das Leid, das über so viele Menschen gebracht wurde, zu mildern. Denn verhindern konnte das keiner. Einfach furchtbar fand ich die Beschreibungen der Zustände in der von den Bomben zerstörten Charité, wo trotz der extrem widrigen Umstände und Zustände das Ärzte- und Schwesternteam versuchte Leben zu retten. Kranke neben Toten, schreiende Verwundete, entscheiden wer noch Überlebenschancen hat – die Leistungen dieser Menschen in dieser Lage sind einfach einzigartig.

Aber auch die Spannung ist beim Lesen nicht zu kurz gekommen. Schließlich wollte ich doch wissen, was es mit diesem Journalisten nun wirklich auf sich hat.

Ich fand das Buch, welches ein so wichtiges, wenn auch negatives Kapitel deutscher Geschichte widerspiegelt, wunderbar unterhaltsam. Es hat mich berührt wie mutig und auch selbstlos diese Menschen waren. Von mir gibt’s daher eine 100%ige Leseempfehlung und 5 wohlverdiente Lese-Sterne.