Rezension

Wunderbares Buch mit hoher sprachlicher Qualität

Polarrot - Patrick Tschan

Polarrot
von Patrick Tschan

Bewertet mit 5 Sternen

Schweiz 1929 – Jack Breiter, Page im mondänen Grand Palace Hotel in St. Moritz, will endlich nach oben, wer sein. Dafür scheint ihm jedes Mittel recht: Er macht sich seine beträchtliche Wirkung auf weibliche Gäste zunutze und versucht, mit einer reichen russischen Erbin anzubandeln. Dies geht jedoch gänzlich schief und Breiter wird als Heiratsschwindler mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Doch eine Farbe – Polarrot – soll unseren Protagonisten wieder auf die Gewinnerspur bringen; wird er sie halten können?

Nach einer Anstellung als Senfvertreter landet Breiter schließlich als Handelsvertreter bei der Basler Farbenfabrik I. P. Gugy AG. Dort avanciert er zum erfolgreichsten Mitarbeiter, da die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland eine ganz besondere Geschäftschance für das Unternehmen bereithält: die Nachfrage nach der Textilfarbe Polarrot, die jede Hakenkreuzfahne beinhaltet, scheint schier endlos. So reist Jack tagein tagaus durch Deutschland und zieht ohne Skrupel unter den wohlwollenden Augen des Konzernchefs de Mijouter einen Auftrag nach dem anderen an Land. In seinem Höhenflug lässt sich Jack auf eine Liaison mit Charlotte, der Gattin seines Chefs ein. Als Halbjüdin wird sie früher oder später den Geschäftsbeziehungen ihres Mannes mit den Nationalsozialisten im Wege stehen und plant daher mit Jack eine gemeinsame Zukunft; sie tritt mit der Bitte an ihn heran, ihrem jüdischen Onkel dabei zu helfen, seine Vermögenswerte, sprich: Gold, aus Deutschland in die Schweiz zu schaffen. Jack wittert die Chance, mit dem Schmuggel das große Geld zu machen, doch seine Selbstsicherheit wird ihm schließlich zum Verhängnis: Bei der letzten Fahrt in die Schweiz wird er ertappt und landet schließlich für zwei Jahre in einem deutschen Konzentrationslager.

Geläutert und psychisch stark angegriffen beschließt er nach seiner Entlassung, mit Hilfe des vergrabenen Goldes einen Hof im Jura nahe der schweizerisch-französischen Grenze zu kaufen und dort als Bauer dem drohenden Wehrdienst zu entgehen. So findet sich unser Protagonist genau in der Situation wieder, der er von Anfang an versucht hat zu entkommen: dem ärmlichen Bauernleben. Endlich meint man Breiter in halbwegs sicheren Verhältnissen zu wähnen; eine Begebenheit fängt parabelhaft wunderbar das Gemüt von Jack Breiter ein: Die neu erworbene Kuh Leni rennt aufgrund ihres Freiheitsdrangs ohne Rücksicht auf Verluste jeden Zaun nieder und kann schließlich nur dadurch davon abgehalten werden, indem ihr ein Brett vor den Kopf gebunden wird, so dass ihr die Sicht auf die freien Lande verwehrt wird und ihren Blick nur auf die saftigen Almgräser zulässt. Solch ein Brett wünscht man Jack Breiter auch in diesem Moment; er kann jedoch nicht aus seiner Haut und stürzt sich in neue Geschäfte: diesmal als Menschenschmuggler…

Patrick Tschan schlägt diesen gewissen Ton an, ganz fein und im nächsten Moment messerscharf, den ich bis dato in dieser Form nur von alpenländischen Autoren, sprich Schweizern und Österreichern kenne.

Ein wunderbares Buch mit hoher sprachlicher Qualität, ein Roman, der mein Herz erobert hat.