Rezension

Wunderschöne Ausgabe!

Verstand und Gefühl (illustriert) -

Verstand und Gefühl (illustriert)
von Jane Austen

Bewertet mit 5 Sternen

Nach "Stolz und Vorurteil" ist die bezaubernde Geschichte der jungen Dashwood-Schwestern Marianne und Elinor (gemeinsam mit "Northanger Abbey") wohl mein zweitliebstes Austen-Werk - die Entscheidung fällt schwer, da alle ihrer Bücher von einzigartiger Schönheit sind.

Die Story handelt von erster Liebe, Enttäuschungen und Herzschmerz, Hoffnung und der Suche nach Mr. Right, einem strengen gesellschaftlichen Verhaltenskodex und Statusdenken, finanziellen Abhängigkeiten und der Angst vor Mittellosigkeit, familiärem Zusammenhalt und inniger geschwisterlicher Zuneigung.

Die temperamentvolle Marianne (lebenslustig, extrovertiert, leidenschaftlich, impulsiv) plant nicht weit in die Zukunft, sondern genießt einzig das Hier und Jetzt. Ihr Charakter steht für das Gefühl, für emotionsgeladene Entscheidungen und jugendliche Unbeschwertheit,
während die reifere Elinor (bedacht, bodenständig, ruhig, selbstbeherrscht, verantwortungsbewusst) den Verstand verkörpert. Sie ist der Fels in der Brandung für Marianne, und denkt trotz ihrer eigenen Jugend schon deutlich pragmatischer, vorausschauender als ihre liebenswerte Mutter, insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Situation (Stichwort: geschenktes Pferd). Im Grunde ist Elinor die zuverlässige Kraftquelle der Familie.

Beide Schwestern sind äußerst intelligent und wortgewandt, allerdings wirkt die im Grunde ihres Herzens gutmütige Marianne aufgrund ihres überschwänglichen Verhaltens, ihrer Arglosigkeit, ihrer (der Jugend geschuldeten) Naivität und vor allem ihrer direkten Art (- sie spricht ihre Gedanken ungefiltert und schonungslos ehrlich aus -) häufig taktlos und ungehalten auf ihr Umfeld. Dass ihre 2 Jahre ältere Schwester Elinor ihrer ungebremsten Euphorie meist mit Ruhe begegnet, wirkt auf Marianne emotionslos, da sie noch nicht erkannt hat, dass wahre, tiefgründige Liebe nicht allein Leidenschaft bedeutet.

Ich konnte Marianne ihre Schwärmerei für den charismatischen John Willoughby nicht verübeln, schließlich teilt er ihren Sinn für Humor, hat ähnliche Interessen und sieht verboten gut aus. Es ist ganz natürlich, dass sie sich schnell und unsterblich in ihn verliebt - zumal er bei ihrer ersten Begegnung als glorreicher Retter in der Not auftritt und ihr obendrein signalisiert, dass er ihre Gefühle erwidert. Auf die vorsichtigen Avancen des zurückhaltenderen (in Mariannes Augen uralten, da Mitte 30-jährigen) Colonel Brandon reagiert sie mit Desinteresse und beinahe schon Unhöflichkeit, da sie nur Augen für Willoughby hat und nicht daran zweifelt, dass dieser ihre große, ewige Liebe ist.

Ende des 18. Jahrhunderts konnte man nicht einfach heiraten, wen man will - bzw. man k o n n t e schon, musste dafür allerdings einen hohen (für manche Menschen undenkbaren) Preis zahlen: bei einer als nicht standesgemäß erachteten Beziehung drohte gesellschaftlicher Abstieg. Der Druck, sich vorteilhaft zu verheiraten, war immens, die Angst vor Armut berechtigt (speziell bei Frauen, denen nicht viele ehrbare Verdienstmöglichkeiten offenstanden). Es ist eine schöne Sache, von romantischer Liebe zu träumen, nur kann sich nicht jede:r diesen Luxus erlauben; für viele Menschen wog das Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit schlichtweg schwerer, als eine erfüllende Liebesbeziehung, was ich nicht verurteile, zumal Liebe auch erst mit der Zeit wachsen kann.

Vielleicht kennt ihr schon die Verfilmung des Werkes, falls nicht: Kate Winslet, Emma Thompson, Hugh Grant, der unvergessene Alan Rickman und Hugh Laurie (aka Dr. House) - braucht ihr noch mehr Gründe?!

Fazit: 5 Sterne!
Das optische Highlight des vorliegenden Buches sind selbstverständlich die zahlreichen stimmungsvollen Illustrationen. Auch das Cover begeisterte mich, ich liebe den Farbton und die Verzierungen! Eine wunderschöne Ausgabe dieses allseits geschätzten Austen-Klassikers, die in keinem Regal einer Janeite fehlen darf!