Rezension

Wundervoll

Das Licht zwischen den Meeren
von M. L. Stedman

Ich war lesetechnisch in Australien unterwegs und zwar mit dem Buch „Das Licht zwischen den Meeren“ von M. L. Stedman.

Zum Inhalt lt. Verlagshomepage: Australien. 1920. Als Tom Isabel zum ersten Mal sieht, ahnt er noch nicht, dass sie sein Schicksal verändern wird. Doch er weiß, dass er für diese Frau alles tun würde. Sechs Jahre später – die beiden sind nun glücklich verheiratet und leben auf der einsamen Insel Janus Rock – strandet an der Küste ein Ruderboot. An Bord: die Leiche eines Mannes – und ein zappelndes Baby. Sofort schließt Isabel das kleine Mädchen in ihr Herz, und gegen Toms anfängliche Bedenken nehmen sie das Kind als ihr eigenes an. Doch als sie aufs Festland zurückkehren, müssen sie erkennen, dass ihre Entscheidung das Leben eines anderen Menschen zerstört hat …

Dies ist ein Buch, das ich eher zufällig aus unserem Bücherschrank fischte, weil mich das Cover so ansprach. Erst später las ich, dass es auch verfilmt wurde (und nein – ich schaue mir den Film nicht an). Und direkt vorweg: Dies ist eines meiner Jahreshighlights!

Die Autorin, die hier ihren Debütroman vorlegt, schreibt eher unaufgeregt und in einem ruhigen, ja fast schon leicht dahinfließendem Stil. Und dies passt sowohl zu der Geschichte als auch zu den Landschaftsbeschreibungen selbst – hatte ich doch das Gefühl, als würde ich die Gischt auf der Haut und den Wind im Gesicht spüren. Und gerade durch diese ruhige Erzählweise wird die Einsamkeit des Lebens als Leuchtturmwärter auf einer kargen Insel vor der Küste Australiens so deutlich.

„Zum ersten Mal ließ er die Dimensionen auf sich wirken. Während er hoch über dem Meeresspiegel stand, betrachtete er gebannt, wie die See direkt unter ihm gegen die Klippen schlug. Das schwappende Wasser war milchig und zähflüssig wie weiße Farbe. Hin und wieder kam in einer Lücke im Schaum die dunkelblaue Schicht darunter in Sicht. Auf der anderen Seite der Insel bildete eine Reihe gewaltiger Felsen ein Bollwerk gegen die Brandung, sodass das Wasser dahinter so unbewegt war wie in eienr Badewanne. Tom hatte das Gefühl, nicht aus dem Boden zu ragen, sondern vom Himmel herabzuhängen.“

Die Geschichte, die Stedman erzählt, besticht durch eine tragische Poesie, die – so herzzerreißend sie auch sein mag – doch auch für Verständnis wirbt. Ganz deutlich wird die innere Zerrissenheit von Tom und Isabel, aber auch die Beweggründe, die dazu geführt haben, dass sie das kleine Baby aufnehmen. Jeder Schmerz der beiden trifft mich bis ins Mark und das Leid der kleinen Lucy zerreißt mich fast. Und als Leser (oder vielleicht auch gerade als Eltern) hinterfragt man sich: Was hätte ich getan? Gibt es richtig, gibt es falsch? Oder gibt es immer nur diese eine Entscheidung in diesem einen Moment?

„Richtig und falsch sind manchmal wie zwei Schlangen: so ineinander verwickelt, dass man sie erst voneinander unterscheiden kann, wenn man beide erschossen hat, und dann ist es zu spät.“

Doch trotz all der traurigen Dramatik erzählt dieses Buch auch von Liebe. Liebe, die verzeihen kann.

„Ich entscheide mich dafür“, erwiderte er. „Ich kann entweder in der Vergangenheit verrotten und wie mein Vater meine Zeit damit verbringen, die Menschen für das zu hassen, was sie mir angetan haben. Oder ich kann verzeihen und vergessen.“ – „So einfach ist das nicht.“ – Daraufhin hatte er wie immer gelächelt. „Oh, aber es ist so viel weniger anstrengend, mein Schatz. Vergessen muss man nur einmal. Doch hassen muss man den ganzen Tag und am nächsten Tag aufs Neue.  …….  Wir haben immer die Wahl. Wir alle.“

Was für ein bewegendes, ein berührendes Buch, das mich nicht mehr loslässt. Am liebsten würde ich es direkt noch einmal lesen und mein Beitrag kann nur einen Bruchteil von dem widerspiegeln, was ich beim Lesen alles empfunden habe.

Hier hat die Autorin nicht nur ein Bild Australiens geschaffen, in denen die Menschen durch den 1. Weltkrieg und die daraus entstehenden Vorurteile geprägt sind, sondern auch ein wunderschönes Stück karges Land beschrieben sowie eine Liebesgeschichte erzählt, die letztendlich von Verständnis und Vergeben gezeichnet ist.

Ganz groß!!!