Rezension

Wundervolle Wandlung einer Persönlichkeit

Britt-Marie war hier
von Fredrik Backman

Bewertet mit 5 Sternen

Britt-Marie ist – und hat es – nicht einfach. Als sie sich für die Trennung von ihrem Mann entscheidet, beschließt, ihren ersten richtigen Job anzunehmen und außerdem in eine fremde Gegend zieht, muss sie einige verstörende Erfahrungen machen. Dass manche Leute ihre Besteckschublade nicht ordentlich zu halten wissen. Und, schlimmer noch: Dass manchmal selbst Natron nichts mehr retten kann.

Obwohl das Cover thematisch perfekt passt, erzählt es (dem vorurteilsbehafteten Leser) doch sehr von einer simplen, beinahe trivialen Komödie schnarchnasigen Humors – aus diesem Grund habe ich die vorigen Romane von Fredrik Backman nicht gelesen. Deren überschäumende Beliebtheit (vor allem Oves) machte mich dann doch neugierig auf Britt-Marie. 

Eines (das wohl Wichtigste) sei vorweg klar gestellt: Sie ist weder simpel noch schnarchnasig. Im Gegenteil! Es war wundervoll, eine so komplexe, interessante und einzigartige Romanfigur zu erleben. Eine glaubwürdige, unglaubliche Frau, die man zunächst nicht ausstehen kann, um sie schließlich in sein Herz zu schließen: neurotisch, nervig, liebevoll, sensibel, mutig. Und wie von einem anderen Planeten.

Backman räumt in seiner Danksagung ein, ein Anfänger zu sein, der viel zu lernen habe. Pustekuchen. Zumindest, was seine Protagonisten angeht, beherrscht er sein Handwerk offensichtlich meisterhaft. Sie durchleben einen Prozess – oder anders: Ein Prozess rüttelt und schüttelt sie durch. Äußerlich mag die Handlung nur wenig actionreich und eher alltäglich erscheinen (bis auf Höhe- beziehungsweise Tiefpunkte); die eigentliche Handlung spielt sich im Geist der Figuren ab.

Zu Beginn des eben erwähnten Prozesses sah ich bereits meine Hoffnungen schwinden. Britt-Marie war mir doch sehr unsympathisch und selbst Dialoge schienen zäh, das war nun einmal ihr besonderes Talent: dem Gegenüber ein Gefühl des Unbehagens zu bereiten. Die Komik dieser Szenen empfand ich eher als frustrierend. Wenn man jedoch geduldig bleibt, wird man relativ schnell damit belohnt, dass diese langweiligeren Stellen bald wirklich komischen, herzzerreißenden, intensiv emotionalen Stellen Platz machen.

Dazu trägt der ironische, gewissermaßen eigenartige (weil womöglich für den Autor charakteristische) Schreibstil bei. Er schafft es, vollkommen unkompliziert und flüssig zu bleiben, obwohl man doch manchmal, eben wegen der omnipräsenten Ironie, etwas mehr nachgrübeln muss. Wenn man, so wie ich, zwischendurch grundlos nicht begreift, wann eine Aussage gegenteilig oder ernsthaft gemeint ist. Lediglich beim Fußball hätte ich mir etwas mehr Zurückhaltung gewünscht: Der Autor scheint ein wirklicher Fan zu sein, meinetwegen.
Fußball bildet hier den Hintergrund, die Bühne der Handlung sozusagen, wie eine Leitung, über die Menschen global miteinander kommunizieren können. Mit der Wahl der Lieblingsmannschaft stellt man seinen Platz in der Welt und vielmehr seine Persönlichkeit klar. Das finde ich absolut in Ordnung. Fußball finde ich an sich auch okay, aber ich bin überhaupt kein „Fan“, weil ich allgemein schon das „Fansein“ (vor allem beim Fußball) nicht leiden kann. Deshalb erscheinen mir bisweilen wiederholte Liebesbekundungen an diesen Sport etwas übertrieben.

Wahrscheinlich war es für die Entwicklung Britt-Maries wichtig, sie zunächst möglichst unsympathisch darzustellen. So wird dem Leser vor Augen geführt, inwiefern er einem Menschen negative Stempel aufdrückt, noch bevor er hinter die Geschichte seines merkwürdigen Benehmens kommt.
Ich glaube ja ohnehin, dass man so gut wie jede Person mögen kann, wenn man erst weiß, weshalb sie sich wie verhält. Dazu muss man sich nicht gleich deren Kindheitstraumata vor Augen führen, es reicht auch, offen und tolerant zu sein und auch schon die bloße Bereitschaft, zuzuhören, wenn jemand den sehnlichen Wunsch hat, zu erzählen. Im Fall von Britt-Marie hat es sich für mich gelohnt.

Ganz ehrlich, der Titel passt so perfekt: Sie war hier. Nicht nur in Borg, sondern besonders in meinem Kopf und irgendwie auch in meinem Herzen (denn ich habe geflennt wie ein Baby), wo sie (vor allem im Kopf) einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Und mich dazu angeregt, auch die anderen Romane von Backman zu lesen.