Rezension

Yee-haw!

Die Schwestern - Jack Ketchum

Die Schwestern
von Jack Ketchum

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wir schreiben das Jahr 1848 – der Mexikanisch-Amerikanische Krieg tobte kurz zuvor. Der junge Reporter Marion T. Bell trifft auf den wortkargen Revolverheld John Charles Hart und dessen Kumpel Mother Knuckles, wird kurzerhand für die gemeinsame Mustangjagd engagiert und schlittert dann plötzlich in einen wahrgewordenen Albtraum. Die Männer treffen auf zwei schwer misshandelte Frauen, offensichtlich auf der Flucht, und nehmen sich ihrer an. Schon am nächsten Tag ist Elena (eine der Frauen) mit Harts Waffe, Bells Klamotten und Mothers Pferd verschwunden. Schnell wird klar, dass sie im Alleingang versuchen will, ihre Schwester aus den Fängen eines Sklavenhändlerrings zu befreien. Hart, Mother und Bell folgen ihrer Spur und stellen sie schließlich zur Rede. Als Elena ihnen reinen Wein einschenkt, beschließen die Männer, ihr zu helfen und die Machenschaften der Verbrecher ein für alle Mal zu stoppen.

Leseeindruck

"Die Schwestern" (OT: The Crossings) ist eine kleine aber sehr feine Novelle aus der Feder des mittlerweile leider verstorbenen Autors Jack Ketchum. Er begibt sich hier auf etwas ungewöhnliches Terrain, denn diese Geschichte ist (anders als das Cover vermuten lässt) eine waschechte, brutale Westernstory, die tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruht. Ketchum verlegte seine Version lediglich in eine frühere Zeit. Diese und andere interessante Informationen erhält der Leser aus dem Vorwort, einem Interview mit dem Autor sowie aus dem Nachwort von Christian Endres. Schönes Beiwerk, das das Büchlein zusätzlich aufwertet.
 
Ketchums Stil ist auch hier wieder sehr gelungen, ich mag seine Schreibe einfach. Oberflächlich betrachtet sind seine Geschichten oft brutal und blutig, nah an der Ekelgrenze und sexuelle Übergriffe keine Seltenheit. Eine andere Art von Horror, der leider in unserer Welt alles andere als Fiktion ist. Ketchum hält der Gesellschaft einen Spiegel vor und tut dies ohne Staf­fa­ge. So geht es auch hier um Menschen, die anderen Menschen schlimme Dinge antun. Ja, er belässt es nicht nur dabei, diese Dinge in einem Satz zu erwähnen, stattdessen lässt er sie den Leser hautnah durchleben. Schonungslos und unbarmherzig. Deshalb ist die Lektüre für Zartbesaitete wohl eher ungeeignet. Und auch ich genieße diese Magenschwinger natürlich nicht, doch untermauern sie die Wucht seiner Aussage und lassen die Geschichte noch lange nachklingen.
 
Das Tempo und damit auch die Spannung sind durchweg hoch. Hat man sich auf den ersten Seiten eingelesen, ist man am Haken und kommt nicht mehr los. Trotz der Kürze zeichnet Ketchum seine Figuren sehr gut. Es gibt ein paar Klischeeansätze (der wortkarge, tragische Revolverheld; der große plump wirkende beste Freund mit dem großen Herz; Ehre bis in den Tod; ein fulminater Showdown), die mich aber überhaupt nicht gestört haben. Sie helfen, in die Story zu finden und in Stimmung zu kommen, bzw. zu bleiben.

 
Fazit

Ich gebe es gern zu: Ich bin ein Fan des Westerngenres in der Literatur. Die klassischen zentralen Motive (Grenzerfahrung und Erneuerung einer Gesellschaft durch Gewalt) in Kombination mit dem rauen, (noch) ursprünglichen Land begeistern mich. Immer wieder greife ich deshalb auch gern zu Romanen von Lansdale oder Curran. Ketchum ist es mit "Die Schwestern" allerdings ebenfalls gelungen, mich zu überzeugen. Die Geschichte funktioniert in ihrer Kürze, hätte aber auch gern noch länger sein können, um den Charakteren noch mehr Raum zu geben. Von mir gibt es 4,5 von 5 Schießeisen für diese spannende Westernnovelle.