Rezension

You are (not) safe here

You are (not) safe here - Kyrie McCauley

You are (not) safe here
von Kyrie McCauley

Bewertet mit 5 Sternen

Allgemeines:

You are (not) safe here ist Ende Januar 2020 bei dtv junior erschienen. Das Taschenbuch hat 400 Seiten und wird vom Verlag ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen. Diese Leseempfehlung möchte ich gerne nach oben korrigieren. Meiner Meinung nach sollte dieses Buch frühestens ab einem Lesealter von 16 Jahren gelesen werden. Es triggert Themen, auf die vor allem Jugendliche sehr sensibel reagieren könnten. Jugendliche verfügen nicht im gleichen Ausmaß wie Erwachsene über Coping-Strategien. Bitte überlegt euch also vor der Lektüre, ob ihr das Buch lesen und mit dem Inhalt umgehen könnt.

Auf dem Cover sind schwarze Federn abgebildet, die in der Geschichte in anderer Form eine große Rolle spielen werden. Besonders hervorzuheben ist der Titel, in dem das „not“ durchgestrichen ist. Er ist so treffend, besser geht es nicht.

Inhalt:

„Tausende Krähen belagern die Kleinstadt Auburn, Pennsylvania, und es werden immer mehr. Alle Einwohner empfinden dies als Bedrohung – alle außer der 17-jährigen Leighton und ihren beiden jüngeren Schwestern. Denn die größte Gefahr lebt in ihrem Zuhause: ihr Vater, der immer wieder gewalttätig wird – und ihre Mutter, die schweigt und ihn nicht verlässt. Und die Nachbarn, die konsequent wegschauen. Leighton würde nichts lieber tun, als der Stadt den Rücken zu kehren, aber sie kann und will ihre Schwestern nicht zurücklassen. Denn eins ist klar: Irgendwann wird die Situation eskalieren…“ (Quelle: dtv Verlag)

Meine Meinung:

Was wäre, wenn der Ort, der für dich der Inbegriff von Sicherheit bedeuten sollte, genau das Gegenteil darstellt? Was wäre, wenn du dir niemals sicher sein kannst… wenn Sicherheit ein Wort wäre, das für dich nicht gilt? Wenn du immer auf deine kleinen Schwestern aufpassen müsstest, die die meisten Nächte ohnehin voller Angst bei dir verbringen? Wenn du trotzdem liebst, obwohl deine Liebe auf grausame Art erwidert wird? Wenn du dir nicht sicher sein kannst, was passieren wird, und wie das Haus und deine Familie danach aussehen werden? Das Haus, das irgendwie ein Eigenleben führt und alle Dinge repariert, die zu Bruch gehen. Aber dein Gefühl, deine Angst kann es nicht reparieren. Das kann niemand. Oder was meint ihr?

You are (not) safe here ist ein Buch, das mich gefesselt und fasziniert hat. Gleichzeitig war ich abgestoßen. Abgestoßen von den unglaublichen Abgründen der Menschlichkeit. Vermutlich kann man sich nur schwer in häusliche Gewalt oder überhaupt in das Thema Gewalt gegen Mitmenschen hineinversetzen, wenn man diese nicht selbst erlebt hat. Der Autorin gelingt es jedoch, eine so überzeugende Atmosphäre zu kreieren, dass man als Leser zumindest das Gefühl hat, sich in eine solche Situation hineinversetzen zu können. Das bringt ambivalente Gefühle mit sich. Zum einen möchte man sich nicht auf so etwas einlassen. Zum anderen möchte man mit Fortschreiten der Handlung unbedingt, dass die Geschichte für Protagonistin Leighton gut ausgeht.

Leighton kümmert sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihre Mutter und ihre kleineren Schwestern. Sie versucht, den Anschein von Normalität aufrecht zu erhalten und ihre häuslichen Umstände zu verbergen. In Auburn weiß jeder, was die anderen verbergen. Aber es wird toleriert, akzeptiert und jeder kümmert sich mehr oder weniger um sich selbst. Trotzdem ist Leighton in der Schule nicht isoliert oder gar eine Einzelgängerin. Hier verbirgt sich eine Gefahr. Wenn es einem Kind oder einem Jugendlichen zu gut gelingt, die Wahrheit zu verbergen, sieht niemand genauer hin. Obwohl nicht nur der Täter in diesem Moment eine Schuld trägt, sondern auch das Umfeld. Das hat eine sehr sensibilisierende Wirkung. Wir sollten alle noch viel häufiger genauer hinsehen.

McCauley gelingt es, eine beinahe erschreckende und gleichzeitig so spannende Stimmung zu erzeugen. Diese wird durch die mystischen, nahezu aus einem Horrorfilm stammenden Elemente ergänzt. Krähen suchen die Kleinstadt Auburn heim. Wer den Film „Die Vögel“ kennt, weiß, dass Krähen für eine beängstigende Stimmung sorgen können. Es werden immer mehr. Je größer die Probleme in der Stadt werden, desto mehr Vögel lassen sich in der Kleinstadt nieder. Zu einer der Krähen entwickelt die Protagonistin zusammen mit ihren Schwestern eine besondere Beziehung. Die Krähen wirken durch ebendiese Entwicklung nicht länger nur bedrohlich, sondern beinahe fürsorglich. In jedem Fall aber intelligenter als erwartet. Auch das Haus, das immer wieder auseinanderbricht und Risse hat, ist eines der Elemente, die nicht erklärbar sind. Sie stehen sinnbildlich für die Ereignisse der Geschichte.

Fazit:

Ein wichtiges, zugleich erschreckendes und faszinierendes Buch über das Thema der häuslichen Gewalt.