Rezension

Zähflüssig

Der Gesang der Bienen - Ralf H. Dorweiler

Der Gesang der Bienen
von Ralf H. Dorweiler

Bewertet mit 2 Sternen

Der Zeidler (heute: Imker) Seyfried ist ein einfacher Mann. Er kümmert sich um die Bienenstöcke hinter seinem Haus, sucht aber auch wilde Bienen im Wald. Er verkauft Honig, Wachs, Kerzen und andere Bienenprodukte an umliegende Kloster und wohlhabende Bürger. Er wohnt mit seiner Frau und drei Kindern auf einer Lichtung in dem selbstgebauten Zeidlerhaus. Auch wenn ihn Schatten aus seiner Vergangenheit quälen, schafft es seine Frau Elsbeth sie immer wieder zu vertreiben.

Als Elsbeth zum Tode verurteilt und auf die Staufenburg in den Kerker verschleppt wird, macht Seyfried sich auf den Weg zur berühmten Heilerin Hildegard von Bingen.

„Sie ist ein Weib und kann allein deshalb keine Heilerin sein. Sie muss mit dem Teufel im Bunde stehen!“ […] „Wieso hört man dann landauf und landab von einer heiligen Frau, die sich auf die Heilung Kranker versteht?“ (S. 85)

Hildegard von Bingen ist eine historische Persönlichkeit, die auch heute noch mit ihren Heilungsansätzen berühmt ist. Der Autor schreibt im Nachwort, wie er sich an Hildegard als Romanfigur angenähert hat und betont noch einmal, dass Der Gesang der Bienen vor allem ein Abenteuerroman und keine Biografie sei.

Die Äbtissin Hildegard wird über allen erhaben dargestellt; sie lässt Bittsteller aus Prinzip warten, mischt sich in politische Angelegenheiten ein und demütigt hohe Persönlichkeiten mit ihren Briefen oder Boten. Doch wird sie auch als hilfsbereit und mütterlich beschrieben; sie gibt Rat bei Krankheiten und bemüht sich um das Wohl ihrer Nonnen, vor allem um das Wohl der Novizin Adelheyd. Die hochehrwürdige Mutter bezeichnet sich selbst als „einfachste Dienerin ihres Herren“ (S. 408), doch benimmt sie sich gegenüber dem weltlichen König, der mit Gottes Gnaden regiert, nicht sehr einfach oder demütig: „Adelheyd ging auf die Knie, während Hildegard sich nicht einmal verbeugte.“ (S.405)

Als Seyfried auf sie trifft, wird er auf eine harte Geduldsprobe gestellt: nachdem er fast zwei Tage auf eine Audienz gewartet hat, gibt Hildegard ihm einen auf den ersten Blick unlösbaren Auftrag: er soll ihr einen Schwarm Bienen bringen. Doch der Zeidler ist einfallsreich und bringt ihr nicht nur die Bienen, sondern hilft dabei auch noch dem ortsansässigen Zeidler und seiner Tochter Hanna. Allerdings ist die hochehrwürdige Mutter Hildegard nicht so einfach zufrieden zu stellen und Seyfried läuft die Zeit davon.

„Noch dazu kennt sich auch Hanna mit Bienen aus. Sie mag langsam sein in ihrem Denken, aber sie kann den Gesang der Bienen hören.“ (S.264)

Die Bienen sind ein durchgängiges Thema in diesem Buch. Die Kinder von Seyfried und Elsbeth wachsen mit einem eigens gedichteten Bienenlied auf, das Summen erfüllt im Sommer die Luft und Verhaltensweisen der Bienen werden ausführlich beschrieben, vor allem das Schwarmverhalten. Trotzdem sind die Bienen eher Mittel zum Zweck. Ein schönes Beiwerk zur Geschichte. Seyfried könnte auch Botaniker sein und Hildegard eine seltene Pflanze verlangen. Die Geschichte würde gleich ausgehen. Vielleicht hatte der Autor mit dem Gesang der Bienen eine Anspielung auf die Familie des Zeidlers im Sinn, welcher sich mir nicht erschlossen hat.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Religion. 1152 ist das Christentum weit verbreitet und überall finden sich Ritter auf Kreuzzügen oder erzählen von diesen. Die Äbtissing Hildegard ist erst kürzlich nach Bingen gezogen um dort ein neues Kloster aufzubauen. Die Nonnen verbringen ihre Tage mit Beten und Arbeiten. Seyfrieds Frau und Kinder beten regelmäßig vor dem Essen und zu Bett gehen. Einzig Seyfried hat den Glauben an einen barmherzigen Gott verloren. Dies führt zu Irritation und Reibereien vor allem mit Hildegard.

Neben Hildegard und dem Zeidler Seyfried geht es auch noch um seine Tochter Anna. Sie ist 14 Jahre alt und muss nach der Verurteilung ihrer Mutter mit ihrem Bruder zusammen auf der Staufenburg in der Küche arbeiten.

Der Gesang der Bienen ist ein Abenteuerroman. Über einen Mann, der seine Frau retten möchte; über ein Mädchen, das zu schnell erwachsen werden muss; über einen Mord, der gesühnt werden soll; über eine Äbtissin und ihre Ränkespiele. Die Reise Seyfrieds ist lang und mühselig, denn er ist zu Fuß unterwegs. Dementsprechend langwierig ist auch die Geschichte.

Das Ende war zufriedenstellend, da alle losen Fäden zusammengeführt wurden und einen Abschluss gefunden haben. Bis dahin wirkten Teile der Geschichte zusammenhanglos und wie Füllmaterial. Anstrengend waren die Spiele Hildegards mit Elsbeths Leben; ich habe zwar am Ende ihre Gründe dafür nachvollziehen können, trotzdem wirkte ihr ganzes Gehabe unnötig. Das Buch liest sich durch die ständigen Wortwechsel zwischen Seyfried und Hildegard zähflüssig. Einzig Annas Geschichte bringt etwas Spannung, die ebenso schnell vergeht wie Honig auf der Zunge.