Rezension

Zeit deines Lebens // Cecelia Ahern

Zeit deines Lebens - Cecelia Ahern

Zeit deines Lebens
von Cecelia Ahern

Bewertet mit 4 Sternen

Wenigen Ahern-Büchern konnte ich gar nichts abgewinnen, einige wenige konnte mich richtig begeistern und die meisten konnte mich einfach nur gut unterhalten. Für eine leichte Lektüre zwischendurch reicht mir das meistens auch vollkommen. Doch Zeit deines Lebens war eines der Werke, die mich wirklich berühren konnten. Die Geschichte ging mir unglaublich nahe und die Emotionen kochten da ab und an mal über. Eine unglaublich tolle Geschichte…

Lou ist ein Workaholic durch und durch. In seinem Leben kommt sein Job immer an erster Stelle. Erst weit danach kommen seine Freunde und die Familie. Seine Kinder hat er seit Tagen nicht mehr gesehen und auch die Ehe zu seiner Frau steht gewaltig auf der Kippe. Dann lernt er eines Tages auf der Straße vor seinem Büro Gabe kennen. Dieser sitzt dort und scheint auch sonst kein Zuhause zu haben. Lou ist von Gabes Beobachtungsgabe fasziniert und gibt ihm einen Job in der Poststelle seiner Firma. Und von da an beginnt sich Lous Leben zu verändern.

Mit Zeit deines Lebens schlägt Cecelia Ahern ganz andere Töne an. Ich bin mir sicher, dass selbst Leser, die sonst mit der Autorin nichts anfangen können, hier auf ihre Kosten kommen. Denn nicht nur der Aufbau ist ein komplett neuer, sondern auch der Schreibstil und die Art der Geschichte unterscheiden sich sehr von Aherns sonstigen Büchern.

Zunächst einmal bettet Ahern die Geschichte rund um Lou in eine zweite Randgeschichte. Das führte dazu, dass das ganze Buch auch eine Appell-Funktion an den Leser beinhaltet. Die Story rund um Lou und Gabe wird nämlich im Buch selbst erzählt – und zwar einem rebellischen Teenager von einem Polizisten. Der soll eine Lektion erteilt bekommen und damit bekommt der Leser sie eben auch. Ich mag diese verschachtelten „Geschichte-in-der-Geschichte“-Sache unglaublich gerne. Da kann man sich nicht nur auf ein Ende freuen, sondern ist auch noch gespannt, wie wohl der zweite Handlungsstrang endet.

Ungewöhnlich war auch, dass Ahern dieses Mal in die Perspektive zweier Männer schlüpft (Lou und der Polizist). Ich kann mir schon vorstellen, dass es nie leicht ist, als Autor in den Person des anderen Geschlechts zu schlüpfen. Doch hier ist das wirklich gut gelungen. Man nimmt Ahern den toughen Geschäftsmann Lou wirklich ab. Auch sein Machogehabe gegenüber anderen Frauen war richtig gut getroffen.

Vor allem unterscheidet sich Zeit deines Lebens von anderen Ahern-Büchern durch die Story. Wo meistens Liebespaare sind oder junge Frauen in skurillen Situationen, findet sich hier zwar ebenfalls eine fantastische Geschichte, doch in ihrem Gefüge ist sie so ganz anders. Es fühlte sich anders an und man bekommt das Gefühl, als wäre Ahern ihrem sonstigen Schema entwachsen. Die Atmosphäre wird im Verlauf immer dunkler, düsterer und bedrückender. Der Spannungsbogen steigt stetig an und plötzlich ertappt man sich dabei, dass es drei Uhr morgens ist und man das Buch einfach nicht aus der Hand legen mag.

Nach der Lektüre dieses Buches kommt man einfach nicht drumherum, selbst über seine Zeit des Lebens nachzudenken. Verschwenden wir diese durch Unnötiges oder könnt ihr mit absoluter Sicherheit sagen, dass ihr mit eurem Leben genau richtig verfahrt? Und auch, wenn man eigentlich erst in der zweiten Hälfte des Buches erkennt, wohin die Geschichte geht, lässt einen die Geschichte nachdenklich zurück. Gerade dieser Aufbau konnte mich wirklich überzeugen. Zunächst verfolgt man eine etwas undefinierte, wenn auch fesselnde Geschichte, bevor man ein Gespür bekommt, wo das Ganze eigentlich einzuordnen ist.

Ebenfalls mit gutem Gewissen empfehlen kann ich das dazugehörige Hörbuch. Andreas Pietschmann als Sprecher war eine wundervolle Wahl. Mit seiner ruhigen Art gibt er der Story genau den richtigen Touch. Es passte einfach so unglaublich gut zusammen. Es war zwar meine erste Begegnung mit Andreas Pietschmann, aber ich hoffe, nicht meine letzte

Selbst für Nicht-Ahern-Fans lohnt sich ein Blick in dieses Buch. Es unterscheidet sich nicht nur vom Äußeren her von ihren üblichen Büchern, sondern in ziemlich allen wichtigen Aspekten. Es macht den Anschein, als sei die Autorin ihrem üblichen Schema entwachsen und probiere sich an etwas Neuem. Und dieser Versuch ist ihr wahrlich gut gelungen. Doch eines kann sie immer noch: durch ein paar geschriebene Seiten beim Leser die großen Gefühle auszulösen. Ich erteile die uneingeschränkte Leseempfehlung.

 

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