Rezension

Zeitenwende

Die Glocke im See - Lars Mytting

Die Glocke im See
von Lars Mytting

Bewertet mit 5 Sternen

Die Geschichte spielt um 1890 in einem armseligen norwegischen Tal. Kai Schweigaart ist gerade Pfarrer geworden und hat sich entschlossen, die uralte Stabkirche, in der es winters so kalt ist, dass eines seiner Schäfchen während des Gottesdienstes erfroren ist, abzureißen und durch eine größere, modernere Kirche zu ersetzen. Doch die Menschen im Tal sind so arm, dass sie den Neubau nicht mitfinanzieren können. Deshalb hat er sich dazu entschlossen, die Kirche ins Ausland zu verkaufen. Gerhard Schönauer, ein Architekturstudent aus Dresden soll den Abbau überwachen und dokumentieren. Als talentierter Zeichner muss er die Kirche detailgetreu abbilden. Dabei beobachtet ihn Astrid Hekne, deren Vorfahren die Glocken für die momentan noch vorhandene Kirche gespendet haben. Glocken, denen geheime Kräfte nachgesagt werden und die unbedingt in der Gemeinde bleiben sollen.

Lars Mytting, am 1.März 1968 in Fåvang im Gudbrandsdal/Norwegen geboren, arbeitete lange Jahre als Verlagslektor bis 2006 sein erster Roman Hestekrefter (Pferdestärken) erschien, der im Jahr darauf in deutscher Sprache gedruckt wurde. Seit 2008 das Schreiben sein Hauptberuf ist, wurden sechs Bücher von ihm auf Deutsch veröffentlicht. Die Glocke im See ist der erste Teil einer noch nicht fertiggestellten Trilogie.

Darin erzählt er von der bitteren Armut der Bevölkerung seines Tales. Nicht nur die stellt sich gegen die Pläne des Pfarrers, sondern wie es scheint auch die alte Kirche selbst, denn es gibt bei den Arbeiten einen Toten. „Ein Pfarrer, der seine Kirche abreißen lässt, hat keine Gemeinde mehr.“ Um bei seinen Erneuerungsversuchen nicht um zehn Jahre zurückgeworfen zu werden, lässt er einen Arbeitertrupp aus Bergen kommen – einer der vielen interessanten Aspekte des Buches. All die Menschen, die hier näher beschrieben werden, sind aus Fleisch und Blut. Es gibt Dickköpfe, Künstler, Geltungssüchtige und Heuchler – also die unterschiedlichsten Charaktere.

Nachdem ich mich eingelesen hatte, nahm mich das Buch völlig für sich ein. Es steckt voller Leben, Mythen und Traditionen und ist in einer Sprache geschrieben, die mich tief in das alte Norwegen eintauchen ließ.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 20. Juni 2022 um 19:45

Jawoll ja. So ist es. Einlesen muss man sich, das stimmt und nicht zwischdrin aufhören, weils auch von der Atmosphäre lebt - aber so viel exzentrisches Personal, oder besser dickköpfisches. Ich hatte das Gefühl, ich würde da wohnen. So müsste man erzählen können. Den 2ten Band finde ich bisschen schwächer, aber immer noch sehr gut. Mittelbände sind am schwersten. Die Messlatte liegt bereits sehr hoch. Mit dem Schlussband kann man mit Schlussgags punkten, der ist aber noch nicht erschienen.

Emswashed kommentierte am 21. Juni 2022 um 14:22

Das ist aber auch eine schöne Rezi und erinnert mich daran, dass da noch was auf mich wartet!