Rezension

Zeitlos. Staubtrocken. Erschreckend.

1984 - George Orwell

1984
von George Orwell

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist berühmt, das Buch 1984, erschreckend, weil man denkt "hey, das kenn ich doch irgendwoher" - es ist aber auch langweilig streckenweise und trocken. Totzdem, 1984 ist ein Roman, der zu Recht bekannt ist, weil er eine Warnung enthält!!! Und den diejenigen, die "dumm" sind, gutgläubig und gleichgültig, natürlich niemals lesen werden! Insofern ist 1984 auch ein tragisches Buch, wie so viele andere!

Eric Arthur Blair alias George Orwell schrieb den Roman 1984 in seinen letzten Lebensjahren. Er starb 1950 auf den Hebriden (geboren 1903 in Indien). Der Zweite Weltkrieg und das Erleben des Nationalsozialismus waren also noch sehr lebhaft in seinem Bewusstsein, die Gräuel des Stalinismus frisch. Dass 1984 anders gelesen 1948 ergibt, darüber muss man keine Worte verlieren.

Das Buch ist so berühmt, dass man nicht im Einzelnen auf seinen Inhalt eingehen muss. Die Mechanismen eines totalitären Staates sind, so scheint es, zeitlos. Allerdings ist 1984 ein Roman, der das Zerbersten des Menschlichen im Totalitarismus derartig drastisch schildert, dass einem, vor allem im letzten Teil, die Spucke wegbleibt.

Es ist schwer nachzuvollziehen, warum die Bevölkerung aller möglicher Staaten dennoch immer wieder Sehnsucht nach „dem starken Mann“ hat, „America first“ toleriert oder „Erdogan for ever“ plärrt oder was auch immer es ist, dass Menschen gleich welcher Couleur, Feindbilder nicht hinterfragen und nicht mit der Wimper zucken, wenn Regimekritiker unter fadenscheinigen Vorwänden in Haft genommen und mundtot gemacht werden. Offenkundige Lügen sind gesellschaftsfähig, ja erwünscht, solange sie patriotischen Anstrich und Unterhaltungswert haben. "Es bedarf einer nicht nachlassenden Flexibilität im Umgang mit Tatsachen." !!!

Sicherlich ist, so aktuell das Werk auch scheinen mag, es doch in erster Linie eine Gesellschaftskritik temporärer Missstände gewesen. So ist das Buch auch nicht ein Unterhaltungsroman, sondern eben das: eine Kritik und eine Abrechnung mit Bestehendem. So spricht Handlung und Sprache uns heute nicht mehr so an. Die Erläuterungen des Romans sind oft lehrreich, aber staubtrocken trotz mancher zeitlosen Wahrheit, die auch Bert Brecht immer wieder so gut in Worte zu fassen vermochte, wenn er betonte, dass die unten, unten bleiben müssten, damit die, die oben sind, oben bleiben können.

Dazu passen die Zitate: "Wurde Wohlstand erst einmal Allgemeingut, würde er keinen Rang mehr verleihen“ und "Auf lange Sicht war eine hierarchische Gesellschaft nur auf der Basis von Armut und Unwissenheit möglich."

Die Lektüre von Orwells Roman 1984 ist kein ungetrübtes Vergnügen, dennoch sollte man ihn vielleicht einmal gelesen haben. Die Warnung vor der staatlich gewollten, gleichgültigen Dummheit der Massen, „Delstop bedeutet schützende Dummheit" ist nämlich eine ernstzunehmende.

Fazit: Zeitlos. Staubtrocken. Erschreckend.

Kategorie: Roman, SF.
Verlag: Ullstein, 40. Auflage, 2017

Kommentare

LySch kommentierte am 06. März 2017 um 09:46

Was für eine gute und ehrliche Rezi! Vielen Dank dafür. Will das Buch schon lange lesen und deine Rezi macht Lust darauf :)

Steve Kaminski kommentierte am 11. März 2017 um 11:03

Lange her, dass ich's gelesen habe. Deine Bemerkungen mit Bezügen zu unserer Zeit kann ich nur unterstreichen!!!