Rezension

Zeitloses Meisterwerk

V wie Vendetta - Alan Moore

V wie Vendetta
von Alan Moore

Bewertet mit 4.5 Sternen

England, wir schreiben das Jahr 1605: Der katholische Offizier Guy Fawkes deponiert mit seinen Mitverschwörern mehr als zwei Tonnen Schwarzpulver in 36 Fässern in den Kellergewölben des englische Parlaments. Ziel des Anschlags sind König Jakob I. samt Familie, alle Parlamentsmitglieder, sämtliche Bischöfe des Landes und der Großteil des Hochadels. Durch Verrat aus den eigenen Reihen wird der Anschlag am 5. November 1605 vereitelt, die Konspiranten auf grausamste Weise hingerichtet und der versuchte Terroranschlag geht unter dem Begriff “Gunpowder Plot” in die englische Geschichte ein. Jährlich gedenkt die englische Bevölkerung dem misslungenen Anschlag mit Straßenumzügen und dem Verbrennen von Guy-Fawkes-Puppen. Sie kennen Guy Fawkes nicht?! Die von David Lloyd entworfene Fawkes-Maske bestimmt: Sie ist das Gesicht der Occupy-Bewegung und der Internetbewegung Anonymous.

England, wir schreiben das Jahr 1997: Ein totalitärer Staat, der durch permanente Überwachung der Bevölkerung jeglichen Freiraum raubt und mittels einen ausgeklügelten Observierungsapparats unter der absoluten Herrschaft der Stimme der Vorsehung, aufgeteilt auf “das Auge”, “den Finger” und “die Nase” jegliches Aufbegehren im Keim erstickt – eine Dystopie par excellence. Die Hauptfigur V, zeitlebens versteckt hinter besagter Maske, lebt im Untergrund und arbeitet fieberhaft daran, das bestehende System ins Wanken zu bringen. Bei seinen “Auftritten” bedient er sich dem reichen Zitatenschatz englischer Literatur und lässt seinen Mahnungen meist ein großes Finale mit großer Zerstörungskraft folgen: So wird das Parlament, das Gerichtsgebäude und die Downing Street von ihm in Schutt und Asche gelegt. Dabei wird er nicht müde, Evey Hammond, die er aus den Fängen des “Fingers” gerettet hat, seine Weltsicht, sein Verständnis von vollkommener Freiheit und Unabhängigkeit angedeihen zu lassen und in ihr einen würdigen Nachfolger auszubilden, der sein Werk vollenden soll. Vs Ausführungen geben auch dem Leser und Betrachter zu Denken, sein eigenes Verständnis von Freiheit und Unabhängigkeit zu hinterfragen und ob nicht Vieles, was z. B. dem eigenen Demokratieverständnis nicht entspricht, viel zu schnell und ohne Gegenwehr aus bloßer Bequemlichkeit einfach hingenommen wird.

Alan Moore und David Lloyd haben mit dem vorliegenden Comic mehr geschaffen, als ein bloßes Stück verblüffender Literatur, sie haben mit der Hauptfigur und deren Maske einer Generation im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesicht gegeben; ein erstarrtes Lächeln, das bei einer einzelnen Maske erheiternd wirken mag, doch bei Demonstrationen zu Hunderten getragen, beim Betrachter ein mulmiges Gefühl aufkommen lässt und genau diesen Effekt erreichen will: ob Regierung, Banken oder Großkonzerne – die lächelnde Fawkes-Maske schaut hin, sehr genau und wird es über kurz oder lang nicht dabei belassen. Die “Fässer” liegen bereit…