Rezension

Zeitreise mit neuem Blickwinkel

Femina -

Femina
von Janina Ramirez

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn man an das Mittelalter denkt, kommen einem mit Sicherheit zuerst Bilder von heroischen Rittern in den Sinn, die hoch zu Ross auf einem Tunier um die Gunst einer schönen Dame kämpfen. Ebenso denkt man an Seuchen und Krankheiten, die vorallem die ärmere Bevölkerung heimsuchen, an Armut, Kreuzüge gegen heidnische Einflüsse und den allgegenwärtigen Schatten der Kirche. Oft kommen diese Bilder aus Geschichten und Filmen, in denen die Zeit oft stereotyp und voller Klischees dargestellt wird. Was all dies Geschichten gemeinsam haben ist die Rollenverteilung. Während die Männer mit gezücktem Schwert in die Schlacht ziehen, sind die Frauen Zuhause für den Nachwuchs zuständig. Das diese Sichtweise eine männliche ist und mit der tatsächlichen Rolle der Frauen im Mittelalter nicht viel gemein hat, zeigt Janina Ramirez in ihrem Buch.

Die Autorin nimmt den Leser mit auf eine spannende Reise in eine Zeit, die wir nur aus schriftlichen Überlieferungen und archäologischen Funden kennen. Das die Deutung dieser Quellen oft schwierig ist und einem Orakel gleich kommt wird ebenso thematisiert, wie die Tatsache, dass die Quellen nur all zu oft männlich sind und die Ereignisse gezielt aus rein männlicher Sicht dargestellt werden. Frauen bilden hier meist nur Fußnoten, werden vielleicht gnädigerweise als Frau, oder Mutter einer wichtigen Person genannt, mehr aber auch nicht. Am Beispiel spektakulärer Grabfunde, oder bemerkenswerter Schriften wird die Rolle dieser Frauen nun aber neu erzählt.

Das Buch ist natürlich kein Roman, liest sich aber über weite Strecken genau so. Die Autorin schafft es die Atmosphäre der Vergangenheit für den Leser greifbar zu machen. Beginnend mit den wissentschaftlichen Fakten, beschreibt sie im Anschluss sehr detailreich und bildhaft das Leben und Wirken der jeweiligen Frau. Wobei sie stets darauf hinweist, was davon wissentschaftlich belegt ist und was eher spekulativ. So lernt der Leser in einem Kapitel des Buches zb die Loftus Prinzessin kennen, über die es nichts in den Geschichtsbüchern gibt. Rückschlüsse auf ihr Leben und ihre Identität sind nur anhand zeitgeschichtlicher Bezüge und der Art ihrer Bestattung möglich. Bei einer weiter einflussreichen Frau des Mittelalters, Hildegard von Bingen, hingegen ist es wesentlich leichter die Stationen ihres Lebens und Wirkens nachzuvollziehen. 

In den verschiedenen Kapiteln des Buches begegnet man starken Frauenfiguren. Entgegen des heute vorherrschenden Bildes der Zeit waren sie Anführerinnen, Kämpferinnen, Regentinnen. Sie standen genauso an der Spitze eines Heeres, wie sie sich auch für Bildung stark machten und Klöster, oder Universitäten gründeten. Sie waren Haushaltsvorstand, Mutter, oder aber auch aus einer bewussten Entscheidung heraus kinderlos. Sie waren teilweise auf eine Weise emanzipiert, wie es heute so gar nicht inˋs Bild der Epoche passen will, eben weil die männerdominierte Geschichtsschreibung diese Aspekte sehr bewusst aus ihren Aufzeichnungen herausgeschrieben hat.

Das Buch ermöglicht nun eine andere Interpretation, die Autorin legt dabei die Grundlagen ihrer Erkenntnisse offen. Schon im Text gibt es immer wieder Hinweise auf die wissenschaftlichen Quellen und am Ende des Buches sind natürlich nochmals alle Fußnoten erläutert. 

Ein neuer Blick auf eine oft so falsch dargestellte Epoche, spannend und wissenschaftlich fundiert aufgearbeitet.