Rezension

Zerfall

Nulluhrzug - Juri Buida

Nulluhrzug
von Juri Buida

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mitten im russischen Nirgendwo liegt Bahnstation Neun. Früher einmal eine produktive Stätte, es gab viele Arbeiter, die in Sägewerk und in der Fabrik für Schwellenimprägnierung malochten und in den Baracken hausten. Und natürlich den Nulluhrzug, hundert Wagons lang, der jede Nacht pünktlich um Mitternacht durch die Station saust. Ursprung: unbekannt, Ziel ebenso. Und doch bestimmt der Zug das Leben, sogar noch als alle Arbeiter nach und nach abgezogen und nur noch einige wenige Bewohner zurückbleiben.

Buidas Parabel ist in ihrer Kürze doch sehr intensiv und erschütternd. Die Monotonie und Einsamkeit des Tuns der Siedler stimmt genauso nachdenklich wie die in einem Nebensatz ausgelebte Grausamkeit des Systems. Wer etwas hinterfragt, Sinn und Zweck des Zuges etwa, verschwindet über kurz oder lang. Überhaupt ist der Zug der Inbegriff der Sinnlosigkeit, niemand weiß wozu er fährt, warum er Lebensinhalt aller sein soll. Als Leser bleibt man genauso ahnungslos wie die Protagonisten, die deprimierende Grundstimmung kommt ebenso nahtlos rüber. Ich konnte mich sprachlich nicht so recht auf die Geschichte einlassen, war aber trotzdem davon an die Seiten gebunden, eben auch, weil man wenigstens einen kleinen Silberstreif am Horizont erhofft. Im historischen Kontext (tolles Nachwort) bekommt „Nulluhrzug“ noch einmal etwas mehr Tiefe, die mir sonst vielleicht entgangen wäre. Keine einfache Kost, aber in ihrer Kürze umso aussagekräftiger.