Rezension

Zerreißprobe

Die Patisserie am Münsterplatz – Neuanfang -

Die Patisserie am Münsterplatz – Neuanfang
von Charlotte Jacobi

Bewertet mit 4 Sternen

1940. Der Zweite Weltkrieg hält auch Straßburg in seinen Klauen, die Stadt ist besetzt, viele Einwohner haben das Weite gesucht, nur Louise Picard hält mit ihrer Großmutter Ida die Stellung in der familieneigenen Feinbäckerei. Das Schicksal spielt Louise einen bösen Streich, denn ausgerechnet ein Soldat der deutschen Wehrmacht verdreht ihr den Kopf. Erneut wird alles Französische verdrängt und während die deutsche Sprache wieder Einzug hält sowie alle Straßenzüge umbenannt werden, steht es schlimm um die jüdische Bevölkerung. Auch Louises Familienangehörigen sind davon betroffen, denn während Ida und ihr Ehemann ums Überleben kämpfen, folgt ihr Sohn der Nazipropaganda nur zu gern. Und Josephines Sohn Clement hat schwer daran zu knabbern, dass ausgerechnet seine große Liebe Louise sich in einen Deutschen verliebt hat. Clement schließt sich mit seiner Schwester Suzette heimlich dem Widerstand an. Bricht die Familie nun endgültig entzwei?

Das Autorenduo hinter dem Pseudonym Charlotte Jacobi hat mit „Neuanfang“ den finalen Band ihrer Patisserie-Trilogie vorgelegt, in dem der Leser nochmals ins elsässische Straßburg des vergangenen Jahrhunderts reisen darf, um das weitere Schicksal der Familie Picard-Tritschler mitzuverfolgen. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil bringt den Leser in eine zerrissene Stadt, in der die deutsche Wehrmacht die Oberhand hat. Erneut müssen die Bewohner miterleben, wie alles Französische dem Erdboden gleich gemacht wird und nun das Deutsche wieder vorherrscht. Inzwischen ist die junge Garde der Familie am Start, wobei sie Unterstützung durch die älteren Generationen bekommen. Die Autoren haben den historischen Hintergrund gut recherchiert und ihrer Handlung unterlegt. Die Gesellschaft wird durch die Nazis gespalten, deren Verbote und Repressalien gegen Juden auch hier zum Tragen kommen. Sogar innerhalb der Familie zieht sich der Riss, denn während die einen um ihre Lieben mit jüdischem Hintergrund bangen, werden andere von der Nazipropaganda angezogen wie die Motten vom Licht. Gleichzeitig versucht gerade Louise, die Feinbäckerei mit Hilfe ihrer Großmutter am Laufen zu halten, so dass das Geschäft den Krieg überlebt. Farbenfrohe Beschreibungen der Örtlichkeiten lassen beim Leser schnell das Kopfkino anspringen, der sich mitten unter den Familienangehörigen wähnt und gespannt verfolgt, wer sich wie entscheidet und ob die Familie nach Pauls Rückkehr aus Stuttgart endgültig auseinanderbricht. Der Spannungslevel zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben.

Die Charaktere haben sich weiterentwickelt, neue sind dazugekommen, doch allesamt sind liebevoll und glaubwürdig inszeniert, so dass es dem Leser nicht schwer fällt, sich unter sie zu mischen und mitzufiebern. Louise ist eine fleißige, junge Frau, die die Familie durch ihre Liaison in die Bredouille bringt. Ida ist die graue Eminenz, freundlich, hilfsbereit und immer mit einem guten Rat an der Hand, dabei fürchtet sie um ihren Ehemann. Clement und Susette halten zusammen und bekämpfen die Nazis aus dem Widerstand, während sich Francois von der Nazipropaganda blenden lässt.

„Neuanfang“ ist ein gelungener Abschluss der Trilogie, der mit einem schönen Mix aus Familiengeschichte, Historie sowie Liebe, Hoffnung und Zuversicht dem Leser eine abwechslungsreiche Lektüre beschert. Verdiente Lesempfehlung!