Rezension

Ziemlich kranke Verbrechen

Ich bin der Zorn
von Ethan Cross

Bewertet mit 3.5 Sternen

Da verübt ein früherer Verbrecher keine neuen Verbrechen, will sogar dabei helfen, seinesgleichen zu fassen. Einzigartig kann er sich in sie hineinversetzen, was für eine Chance: Inzwischen nutzen Behörden tatsächlich solche „Insider“, siehe Internetkriminalität oder Betrug. Doch warum zögern sie bei Francis Ackerman junior? Er ist wirklich perfekt geeignet zur Bekämpfung von Serienmördern, Gewaltverbrechern, Sadisten, denn das ist auch sein Profil. Er verübt gerade unter anderem deshalb keine neuen Verbrechen, weil er in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt. Doch seine Stunde wird kommen.

In einem anderen Hochsicherheitsgefängnis fallen plötzlich Schüsse, ein Wärter tötet und flieht. Dazu kommen weitere Handlungsstränge mit einem Täter, der sich Judas nennt, sowie mit einem weiteren namens Demon. Beide sind Meister der Manipulation.

Dieser vierte Band der Shephard-Trilogie strotzt nur so vor Personal, einiges aus den vergangenen Bänden, natürlich die Agenten Marcus Williams, Maggie Carlisle (meistens auch Marcus' Freundin, wenn er es nicht gerade wieder verbockt) und Andrew Garrison, dazu ihr Chef, der "Director" der streng geheimen Shepard-Organisation, sowie der zuständige Attorney General Trevor Fagan und Psychologin Emily. Hinzu kommt eine Vielzahl von Personal von beiden Seiten der Gitter der Gefängnisse beziehungsweise des Rechtssystems; in den bisherigen Büchern war das übersichtlicher. Wie schon in den ersten beiden Bänden (den dritten fand ich da angenehmer) hatte ich wieder das Gefühl, in einem Film gelandet zu sein, sehr actionlastig und Perspektivwechsel genau dann, wann ein Actionfilm einen Szenenwechsel setzen würde, inklusive Product-Placement „Maggie schaute auf ihre Apple Watch.“ S. 318, getoppt noch von den Leistungen der iPhones S. 427 (ich BIN Fan und finde es seltsam, soviel dazu).

Wieder im Gegensatz zum in jeglicher Hinsicht angenehmeren dritten Band gibt es hier auch wieder höchst brutale Slasher-Szenen, wesentlich weniger hingegen, die "nur" psychisch brutal sind (sie wären wirkungsvoller, wenn die Brutalität einmal eine Pause zuließe). Toll ist die Rolle von Ackerman junior, der als einziger professionell wirkt. Genervt haben mich wieder die Anklänge von seltsamer Erblehre-Anhängerschaft, davon, dass es Menschen gebe, die zum Jagen geboren seien (S. 40), sowie eines sehr US-lastigen „Auge-um-Auge“-Verständnisses vom Christentum – bis zur Bergpredigt scheint dort niemand zu lesen. Immerhin ist die allgemeine Selbstjustiz-Neigung einer etwas differenzierteren Betrachtung gewichen, Ackerman sei Dank. Und wieder die Titelübersetzung: „The Judas Game“ wird „Ich bin der Zorn“. Jaaaa, die einheitlich gestalteten Titel und Cover haben etwas (ich liebe die Cover der Serie, wenngleich mir sonst Cover völlig gleich sind), aber ich kann die Originaltitel mit der jeweiligen Handlung zusammenbringen, die deutschen Titel sind nichtssagend. Und irgendwie habe ich im Verlauf der Handlung den Überblick verloren über die diversen Handlungsstränge von Bösen (Gladiator, Taker, Judas, Demon, ULF, …). Somit wieder für mich ein Rückschritt unter das Niveau vom letzten Band 3, aber weit über Band 2. 3,5 Sterne.