Rezension

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Zu detailverliebt

Kapital - John Lanchester

Kapital
von John Lanchester

Das "Kapital" von John Lanchester ist meiner Meinung nach ein gelungenes Werk über die Finanzkrise und deren Auswirkung auf das Leben einzelner Menschen. Geschickt zeigt der Autor am Beispiel einer Straße - der Pepsy Road in London - wie sehr Geld und Macht unsere heutige Gesellschaft beeinflussen können. So verliert zum Beispiel der Banker Roger - der zu Beginn der Geschichte noch wohlhabend und erfolgreich auf einen millionenschweren Bonus hoft - seinen Job. Roger muss sein Haus verkaufen und sieht ein, das materielle Dinge nicht alles sein können im Leben. "Ich kann mich ändern", lautet sein felsenfester Entschluss, mit dem auch das Buch endet. Von seiner oberflächlichen Frau Arabella kann er dies nicht behaupten, da sie im Laufe der Geschichte nichts dazu lernt. Das ungarische Kindermädchen der beiden, Matya, ist anfangs noch auf der Suche nach einem steinreichen Mann, findet sich am Ende jedoch in einer glücklichen Beziehung mit einem polnischen Handwerker. Außerdem gibt es da noch Petunia, eine über 80-jährige Frau, die im Laufe des Buches an einem Gehirntumor stirbt mit ihrer Tochter Mary und ihrem Enkel Graham alias Smitty, und die islamistische Großfamilie der Kamals, welche einen Kiosk in der Pepsy Road betreiben. Und es gibt Freddy, ein afrikanisches Ausnahmetalent im Fußball, der voller Hoffnung nach London zieht und dessen Traum dann dank einer Knieverletzung ins wanken gerät. Sie alle haben mehr oder weniger mit der Pepsy Road zu tun - und mit einer Kampagne, von der die Pepsy Road heimgesucht wird. "Wir wollen was ihr habt" . Dieser Slogan verfolgt die Einwohner und die Frage, wer hinter dieser Kampange steckt, beschäftigt den Leser. Dass es sich bei dem Täter erst um den jüngsten Bruder der Kamals - einen strenggläubigen Muslim - uns später dann um den verbitterten Exassistenten von Petunias Enkel handelt, war jedoch ab einer bestimmten Stelle des Buches nicht mehr schwer zu erraten.

In seinem Roman zeigt John Lanchester vor allem Liebe zum Detail, da jedes dieser Schicksale bis ins Kleinste geschildert und ausgebaut wurde. Dadurch fehlt dem Roman jedoch leider die Spannung und der flüssige Lesefluss. Mit fast 700 Seiten wird der Roman dank der Detailverliebtheit beim Lesen oft anstrengend und ermüdend, weshalb ich, obwohl der Inhalt und die Leitidee großes Lob verdienen, für das Gesamtwerk nur 3 Sterne vergeben kann.