Zu Hause, aber nicht Daheim
Bewertet mit 4 Sternen
In Harrowweald, einem herrschaftlichen Haus inmitten von herrlichen Gärten und dichtem Wald lebt Kitty zusammen mit Jenny, der Cousine ihres Mannes Chris, der das geerbte Anwesen mit Hingabe, Geld und Kittys Geschick und Geschmack renoviert und in seine jetzige Pracht verwandelt hat. Chris’ und Kittys Sohn starb als Kind, so dass die Frauen allein mit ihrer Dienerschaft in den Anwesen wohnen, seit Chris als Soldat nach Frankreich geschickt wurde. Jenny schildert Chris als einen gut aussehenden, ruhigen und zufriedenen Mann, stets gut gelaunt und anderen Menschen ehrlich und offen zugetan.
Aber er kommt als Fremder nach Hause, der fünfzehn Jahren seines Lebens vergessen hat, seine Frau nicht kennt und in den neuen Räumen das alte Haus sucht. Das einzige, an das er sich erinnert, ist seine erste Liebe und die Frau, der sie galt, Margaret, einer Wirtstochter, inzwischen verheiratet; sie lebt in armseligen Verhältnissen, kleidet sich schäbig und ist frühzeitig gealtert.
Anders als im Klappentext beschrieben ist dies kein Buch über den Krieg. Er wird nicht weiter thematisiert, sondern dient als Hintergrundkulisse und Ausgangspunkt des Dramas. Stattdessen steht eine bittersüße Liebesgeschichte im Mittelpunkt. Meine Erwartung, ein weibliches Pendant zu Remarque zu finden, erfüllte sich nicht, eher liegt ein Hauch Jane Austen über dem Buch (die Werte, die Einordnung von Menschen nach ihrer äußeren Erscheinung, das Ambiente, …).
Auch wirkt die Folge des Granatenschocks auf Chris mitunter eher wie ein Spleen als wie eine traumatische Reaktion der Psyche.
Jenny ist die Vermittlerin zwischen Margaret und Chris sowie Chris und Kitty. Kitty, doppelt verletzt, weil ihr Ehemann sie nicht wieder erkennt und weil er einzig an seiner Jugendliebe hängt, kann und will kein Verständnis aufbringen. Sie ist nicht als unsympathisch, sondern eher als unsensibel gezeichnet. Auch Jenny trauert um den Gefährten ihrer Jugend – Chris erinnert sich zwar an sie, aber damals war sie ein junges Mädchen; als Frau spielt sie keine Rolle, nicht einmal die einer Freundin.
Obwohl sie darunter leidet, versteht sie, warum Chris alles vergessen hat. Jenny begreift, dass ihr Cousin Margaret anders sieht, dass er hinter die klägliche äußere Erscheinung blickt, wo er das junge Mädchen von früher findet und liebt.
In der Tradition des Gesellschaftsromans werden dem Interieur, dem Haus und den Ländereien besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die edle Ausstattung der Zimmer und das solide und großzügig angelegte Bauwerk sind in eine Landschaft von üppiger Schönheit gebettet, an der sich Jenny täglich ergötzt und die bis ins Kleinste zu schildern sie nicht müde wird.
Eine gelungene Pointe beendet die Handlung; sie endet hier, gleichzeitig fragt man sich: Wäre es nicht anders besser gewesen? Denn jetzt ist das Schlimmste möglich.
Als Kriegs- oder Antikriegsroman weniger tauglich denn als Liebesgeschichte der besonderen Art.