Rezension

Zu konstruiert

Das Glashotel -

Das Glashotel
von Emily St. John Mandel

Bewertet mit 3 Sternen

Dass Emily St John Mandel schreiben kann, hat sie mit ihrem Roman „Im Licht der letzten Tage“ bewiesen, und wie! Kein Buch hat mich in diesem Jahr mehr begeistert. Umso gespannter war ich auf ihr Folgewerk „Das Glashotel“ und umso enttäuschter bin ich davon. 
Die Geschichte dieses neuen Romans zu skizzieren fällt schon schwer, da dieser auf mich eher assoziativ wirkt und zudem keinen ausgemachten Haupt- Protagonisten hat, an dessen Leben oder Teil- Leben der Leser teilnehmen kann. Ein Sammelsurium an Charakteren bevölkert das Buch und auf einige davon hätte man auch verzichten können. 
St. John Mandel hat sich als Plot die betrügerischen Machenschaften des echten US- Börsenmaklers Bernie Madoff, der mit seinem Schneeballsystem diverse Anleger in den Ruin getrieben und insgesamt 65 Milliarden Dollar versenkt hat, ausgeliehen und literarisch verarbeitet. Im Roman heißt der Anlagebetrüger Jonathan Alkaitis, er ist der Besitzer des titelgebenden Glashotels und lernt in ebendiesem die junge Barkeeperin Vincent kennen. Vincent, durch den frühen Tod ihrer Mutter traumatisiert, willigt ein, für ein ungeahntes Luxusleben, die Frau an Alkaitis Seite zu werden, ohne ihn zu lieben. Entlang dieser Situation springt der Roman zwischen Zeitebenen, Charakteren und Befindlichkeiten hin und her, ohne je eine der Figuren klarer zu charakterisieren oder lebendig zu machen. 
Es muss St. John Mandel unendlich viel Mühe gekostet haben, diverse Erzählstränge und Charaktere zu erfinden und am Ende irgendwie zusammenzuführen. Diese Art literarisches Puzzle funktionierte noch bei „Im Licht der letzten Tage“ grandios, hier scheitert die Autorin damit. Zu willkürlich, zu konstruiert wirkt das Zusammentreffen der Protagonisten. Über lange Absätze vergisst man einige der Figuren dann sogar. Es scheint, als hätte sich die Autorin selbst gegen Ende des Buches daran erinnert, noch schnell diverse Personen verzahnen zu müssen… Vincents Bruder Paul wird elaboriert eingeführt und bleibt im Verlauf des Romans dann nur mehr ein Instrument für den einen oder anderen Plotpoint, ohne selbst Gewicht zu erlangen. Über mehrere Seiten werden meines Erachtens völlig uninteressante Personen beleuchtet, nämlich Alkaitis Handlanger des Betrugs, ohne dass einer von ihnen besonders fein skizziert wird, oder gar zu einem wichtigen Teil der Handlung wird. Mir persönlich ist das für einen gelungenen Roman zu wenig. 
Emily St John Mandel hat ein großes Talent und man hofft, es möge bald wieder zum Glänzen kommen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 07. September 2021 um 20:00

Ich hätte die Autorin jetzt eher zur leichten Muse gerechnet. Schade dass dir der Roman nicht ganz zusagte.