Rezension

Zu lang geraten

Hannibal - Thomas Harris

Hannibal
von Thomas Harris

Bewertet mit 3 Sternen

Hannibal Lecter ist nunmehr seit sieben Jahren auf der Flucht. Das FBI fahndet immer noch fieberhaft nach ihm, doch es ist Mason Verger, Millionär und ehemaliges Opfer von Lecter, der eine neue Spur entdeckt. Laut seinem Informanten befindet sich Lecter in Florenz und arbeitet dort als Kurator. Ein Wettlauf beginnt: Wer wird ihn zuerst fassen? Das FBI, allen voran Clarice Starling, die ihren Ruf reinwaschen muss, oder das Team von Verger, das Lecter zu Mason bringen kann, damit dieser seine ganz persönliche Rache üben kann?
In Red Dragon hat Hannibal Lecter nur eine marginale Rolle eingenommen, in The Silence of the Lambs hatte er deutlich mehr "Screen Time", doch Hannibal ist definitiv sein Buch. Dieses Mal gibt es keinen Killer, bei dem Hannibal mit seinem Wissen helfen könnte, sondern er wird zum Opfer der Rache Vergers.
Hannibal erzählt in diesem Roman große Teile der Handlung. Allerdings liest man nur seine Außensicht mit, was in Lecters Kopf vorgeht, bekommen wir leider nicht so ganz mit. Vielleicht wäre das aber auch etwas zu Komplex, denn wenn Lecter eines nicht ist, dann einfach gestrickt. 
Hannibal Lecter war zwar noch nie der richtige Bösewicht in den Büchern, in diesem kann man aber gar nicht anders, als sich auf Lecters Seite zu stellen. Zwar hat Mason Verger mehr als genug Gründe, sich an Hannibal zu rächen, die Art ist aber nicht unbedingt die feinste Sache. Außerdem lernt man nach und nach, dass die Leute, die Hannibal zu seinem Opfer gemacht hat, nicht unbedingt die besten der Gattung Mensch gewesen sind.
Clarice hat sich in den vergangenen sieben Jahren stark verändert. Nach der spektakulären Festnahme von Buffalo Bill hat sie sich einen Namen gemacht und gilt zudem als beste Schützin beim FBI. Am Anfang des Buches geht jedoch ein Einsatz gehörig in die Hose, sodass Clarice um ihre Stelle bangen muss. Dass einige Kollegen sie gerne am Boden sehen würden, hilft dabei auch nicht sonderlich. Ihre einzige Chance, ihre Haut noch zu retten, ist die Festnahme Hannibals. Sie scheint immer noch die einzige zu sein, die einen richtigen Draht zu ihm findet. Kann sie Masons Leuten zuvor kommen?
Wenn ich diesen Band mit den beiden Vorgängern vergleiche, dann ist Hannibal das bisher schwächste Buch. Für mich war es einfach eine Ecke zu lang, sodass es zahlreiche Längen gab, die einfach nicht hätten sein müssen. Vor allem die Passage in Florenz war für meinen Geschmack viel zu lang geraten, auch wenn ich Lecters kurzen Vortrag über Dante geliebt habe. ♥
Besonders spannend fand ich das Ende, welches sich stark von dem Filmende unterscheidet. Es besticht nicht nur durch seine Andersheit, sondern auch dadurch, dass man als Leser noch einmal die Chance hat, Lecter von einer anderen, irgendwie sehr unheimlichen Art kennenzulernen. Das Ende hat einiges über seine Psyche verraten und geht damit viel tiefer als der Film. 
Die Hannibal-Reihe mag hier zwar vielleicht ihren Höhepunkt zu finden, der Roman ist insgesamt aber etwas zu lang geraten. Auch wenn Hannibal Lecter im Mittelpunkt steht, konnte mich das Buch nicht sonderlich begeistern, sodass ich recht lange mit dem Lesen gebraucht habe. Manchmal liegt eben doch in der Kürze die Würze.