Rezension

Zu langatmig, zu sehr aus der Perspektive des Sohnes

Tod einer Untröstlichen -

Tod einer Untröstlichen
von David Rieff

Bewertet mit 2 Sternen

Man kann es lesen, muss es aber nicht

Ich habe mir das Buch gekauft, weil es in einer meiner anderen Lektüren zitiert wurde. Susan Sonntags (1933-2004) Sohn, David Rieff (geb. 1952), politischer Schriftsteller und Journalist macht in diesem Roman das Sterben seiner Mutter,für die 'Neugier zur geistigen Grundausstattung gehörte'(42), ihre Ängste vor dem Tod ('durch den beklemmenden Nebel der eigenen Panik', 45) und ihre Weigerung, das Leben loszulassen (für sie war 'die Realität die Messerklinge an ihrer Kehle', 43)('auf der ständigen Suche nach Strohhalmen, an die sie sich klammern konnte, 50) sowie seine Schuldgefühle, nicht genug, nicht das richtige getan zu haben, zum Thema.

Der Tod, der unserer Lieben und der eigene, ist ein Thema, das uns unausweichlich alle betrifft. Manche Gedanken sind schön formuliert ('Wenn man den dritten Akt erreicht hat und nun in der Erwartung lebt, dass noch zwei Akte kommen, wird die Aussicht auf den letzten Abgang wirklich unerträglich', 25) bzw. regen zum Nachdenken an ('Bisher so sagte sie [seine Mutter] mir oft, habe sie sich viel zu viel mit Dingen abgegeben,die sie gar nicht habe tun wollen', 24). Ggf. passiert uns das auch und man sollte den Fokus mehr auf das Gegenteil legen und sich nicht so viel rechtfertigen für das, was man nicht (mehr) will. Mir war nicht bewusst, ein Unding!, dass die Ärzte bis in die 70iger Jahre hinein ihre Patienten hinsichtlich einer fatalen Diagnose in der Regel belogen.Das unterminiert jede Vertrauensbasis und ist m.E. weder rechtens noch fair. Rief liest posthum die Tagebücher seiner Mutter, ihre tiefe Verzweiflung war ihm so nicht bewusst gewesen. Rief bezeichnet sich als 'Komplize' seiner Mutter, hinsichtlich der Tatsache, dass er sich bei der Wahl zwischen Hoffnung und Wahrheit in der Regel für das erstere entscheidet. Mir als Linguistin ist der Begriff zu negativ, 'Komplize'.

Gefallen tut mir, dass Rief eher ein liebevoller Beobachter, Begleiter seiner Mutter und ihres Sterbens ist denn ein Kritiker ihres (Aber-)Glaubens und ihrer sinnlosen Hoffnungen. Wem hätte letzteres genützt? Der Sohn nimmt auch Broschüren zur Krankheit kritisch auseinander, sprachlich, Verschleierungstaktik, Tabuthema Tod.

Rief ist voller Schuldgefühle und Selbstzweifel und ohne ihm Unrecht tun zu wollen, wiederholt er sich ständig, sodass es recht mühlselig ist, sich durch die 159 langatmigen Seiten zu 'kämpfen'. Für mich ist das Buch zu sehr aus seiner Perspektive geschrieben, die Gefühle/Gedanken seiner Mutter werden mehr oder minder nur am Rande erwähnt und das, obwohl er ihre Tagebücher gelesen hat. Natürlich hätte er nicht mehr ihr Einverständnis erfragen können, aber sie vielleicht indirekt zitieren. Der deutsche Titel heißt 'Tod einer Untröstlichen', für mich ist eher der Sohn 'untröstlich'. Er zerfleischt sich in Selbstvorwürfen und Ambivalenz und behauptet, dass das wohl bei allen Hinterbliebenen so wäre. Man kann das Rad nicht zurückdrehen und jeder Mensch kann nur so gut er kann. Ich bin vorgebildet, aber selbst mir kommen viel zu viel Fachausdrücke vor, die überhaupt nicht erläutert werden (z.B. 'der bekannte Romanshorn-Effekt', 98, bekannt? Mir nicht!), und ich will beim Lesen auch nicht ständig googeln.

Resumée: Ich habe mich gelangweilt, man kann das Buch lesen, muss es aber nicht.