Rezension

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zu viel des Guten

Someone New - Laura Kneidl

Someone New
von Laura Kneidl

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses wirklich sehr schön anzusehende Buch durfte ich im Rahmen einer Schnell-Leserunde bei der Lesejury lesen. Ich habe mich bei der Menge an Bewerbungen auch richtig gefreut dabei sein zu dürfen, denn die Wahrscheinlichkeit dabei ausgewählt zu werden, war wirklich sehr gering. Nach einigen Startschwierigkeiten ist Someone New auch endlich bei mir eingetroffen und dann ging es auch schon ans Lesen. :)

Zuallererst möchte ich betonen, dass dieses Cover richtig schön aussieht. In Natura sogar noch besser als ohnehin schon. Des Weiteren seht ihr auch noch einen Druck auf dem Foto, welcher alle Charaktere, die im Buch eine Rolle spielen, abbildet. Diese Idee dazu finde ich super süß und man kann es sich auch sehr schön mit ins Regal stellen. Andere haben es auch gerahmt und an die Wand gehangen. Auch das ist eine tolle Idee.

Das Buch hat in den letzten Wochen alle möglichen Buchportale und Instagram / Bookstagram beherrscht und irgendwie schien jeder das Buch schon zu besitzen und gelesen zu haben. Das hat mir das unvoreingenommene Lesen in der Leserunde tatsächlich etwas erschwert, denn man kam gar nicht drum herum diesen Hype zu sehen und zu beobachten.

Someone New handelt von vielen gesellschaftlichen Themen und auf den Umfang des Buches bezogen wirkte es auch anfangs so, als könnte dort sogar das ein oder andere Thema parallel bearbeitet werden. Leider wurde dieser Raum mehr für Marvel und Graphic Novel Erzählungen/ Abschweifungen genutzt, als sich tiefgründiger mit den eigentlich wichtigen Themen zu beschäftigen. Ich muss auch gestehen, dass ich diese Anspielungen nicht immer verstanden habe, da ich mich damit nicht auskenne. Insgesamt hat mich das ab dem zweiten Drittel des Buches immer mehr gestört. Denn für mich persönlich gehört dies nicht in den Vordergrund der Story. Daher zog sich das Buch auch unnötig in die Länge und ich musste beim Lesen viele Pausen einlegen.

Julian und Micah sind in diesem Buch die Hauptcharaktere. Man erlebt die Geschichte der beiden aus Micah's Sicht und kann somit sehr stark in ihre Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen. Ich kann verstehen, wieso die Autorin sich hier nur auf die eine Sichtweise bezieht. Wäre es anders bestünde die Gefahr Julian als unglaubwürdigen Charakter zu erleben und das täte dem Buch und den Menschen, die es lesen oder die ähnliches wie Julian erleben/ erlebt haben nicht gut.

Julian mochte ich als Charakter sehr gern und ich fand ihn aufgrund seiner verschlossenen und geheimnisvollen Art insgesamt sehr spannend. Gepunktet hat er bei mir schon mit seinem kleinen süßen Kater. ;) Auch so mag ich seine eher zurückhaltende Art und Weise. Jedoch empfand ich die Enthüllung seines Geheimnisses gegenüber Micah als viel zu sehr vor die Füße geklatscht. Frei nach dem Motto: "Ja, also so ist das. Punkt." Und dass, obwohl regelmäßig versucht wurde das Geheimnis als so gravierend darzustellen und er in passenderen Momenten nie mit der Sprache rausrücken wollte. Die Szene passte für mich daher gar nicht und auch die Sequenzen danach waren für mich nicht tiefgründig genug. Hier hätte die Autorin für mein Empfinden mit mehr Feingefühl herangehen sollen. Ich möchte auf gar keinen Fall als intolerant erscheinen, aber nach so einer Enthüllung sollte jedem Menschen, egal wie tolerant er oder sie ist, ein bisschen mehr Zeit zur eigenen Verarbeitung eingeräumt werden, da das Thema unweigerlich Fragen aufwirft. Es geht schließlich nicht um etwas Lapidares, wie den Kauf einer neuen Zahnbürste oder einer Waschmaschine.

Mit Micah hatte ich so arg meine Probleme. Sie will immer alles alleine und unabhängig schaffen und wird insgeheim doch von ihren Eltern gelenkt und finanziert. Gleichzeitig ist sie jemand, der mich aufgrund ihrer Einstellung immer wieder dazu gebracht hat die Augen zu verdrehen und den Kopf zu schütteln. Ein Beispiel dafür ist ihr ständiges Rumnörgeln bzgl. ihres Studiums. Ja, sie studiert Jura, weil es ihre Eltern so wollen. Ja, sie kann das Studium überhaupt nicht ausstehen, da es langweilig ist und sie lieber in die Kunstrichtung gehen möchte. Ein weiteres ja dafür, dass sie sich jeden Tag fragt, wieso sie überhaupt aufsteht, um zu den Vorlesungen und Seminaren zu gehen, wenn sie doch eh nur Bahnhof versteht und am Ende durchfallen wird. Ich verstehe total, dass Micah das alles als Qual ansieht aber es zwei Mal zu erwähnen würde doch reichen, damit auch der letzte Leser des Buches es verstanden hat.

Was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte ist das Verhalten ihres Bruders. Die beiden sind Zwillinge, beste Freunde und "nur“, weil die Eltern mit ihm brechen, blockt er auch seine Schwester komplett ab? Mit der Begründung sie ist immer noch die Tochter ihrer Eltern... Damit komme ich nicht klar. Denn in diesem Punkt lässt er sich genauso fallen, wie ihn seine Eltern fallen gelassen haben. Das Aufeinandertreffen von Julian, Micah und Adrian war auch so völlig surreal, als wäre nie irgendwas gewesen. Aber gut, vielleicht sehe ich das auch nur als viel zu kritisch an.

Insgesamt habe ich das Buch mit gemischten Gefühlen beendet. Es wirkt zu sehr gewollt und ist viel zu vollgestopft mit gesellschaftlichen Themen, die viel mehr Raum brauchen, als ihnen hier zugesprochen wurde. Daher kann ich auch den Hype um dieses Buch nicht unterstützen. Denn in diesem Fall wäre weniger viel mehr und es würde nicht so an eine Art Klischeebingo erinnern.

Normalerweise genieße ich den Schreibstil und die Geschichten der Autorin sehr beim Lesen, aber hier hat mich mittendrin immer wieder die Lust verlassen überhaupt weiterzulesen. Das lag mal an den Comic-Anekdoten, mal an Micah und mal einfach auch an dem Hin und Her zwischen den beiden Mitbewohnern von Julian, die wohl im zweiten Band, welcher 2020 erscheint, ihre Geschichte bekommen. Obwohl sie in diesem Buch bereits so viel Spielraum hatten, dass ich mich zwischenzeitlich wirklich fragte, ob nicht doch die beiden die Hauptcharaktere des Buches sind.