Rezension

Zu viel des Guten

Was Nina wusste - David Grossman

Was Nina wusste
von David Grossman

Bewertet mit 2.5 Sternen

David Grossman, einer der ganz großen Schriftsteller unserer Zeit, macht es seinen Lesern nicht immer leicht. Das muss er auch nicht, denn es ist ja ein Zeichen von Kreativität, sperrig zu sein, mit Gewohntem zu brechen, neue Wege zu gehen. Mit seinem neuen Roman „ Was Nina wusste“, macht es mir Grossman aber besonders schwer.

Er fiktionalisiert die wahre Geschichte der Eva Panić-Nahir, einer jüdisch- jugoslawischen Kommunistin, die ihren Ehemann Miloš selbst nach seinem Tod nicht als „stalinistischen Spion“ denunzieren will, und dafür 19 Monate auf Titos berüchtigte GefängnisInsel Goli Otok gebracht und gefoltert wird. Ihre sechsjährige Tochter muss sie zurücklassen.

Dieses Trauma setzt sich nicht nur in Vera ( so Evas Roman - Name) und ihrer Tochter Nina fest, sondern auch noch in Enkelin Gili.

In Israel beginnen Vera und Nina ein neues Leben, doch Nina leidet an den verlorenen Jahren, die sie mutterlos verbringen musste.

Auf einer gemeinsamen Reise, auf der Gili und ihr Vater Rafi, der außerdem noch der Stiefsohn Veras ist, einen Erinnerungsfilm für sie an Alzheimer erkrankte Nina drehen wollen, wird die nunmehr 90- jährige Vera gezwungen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. 
Eva Panić-Nahir hat David Grossman ihr Leben erzählt und ihm die Freiheit gegeben, es literarisch zu verarbeiten. Grossman wählte die Form des Romans, was für mich ein Fehler ist. Dieses Leben gibt so viel her, so viele unglaubliche Begebenheiten, dass man eine Dramatisierung gar nicht mehr braucht. Das ganze Schicksal und Elend der drei Frauen wird unermüdlich in unendlichen Gesprächen erzählt. Rafi bleibt dabei leider nur Stichwortgeber, was für mich der nächste Fehler ist. Es hätte diese positive, sympathische Figur gebraucht, um den Leser ob des ganzen Unheils der weiblichen Protagonisten einmal durchschnaufen zu lassen.

Gili und Rafi rätseln über den Charakter Ninas, die sich jahrelang ins Ausland verzieht, unzählige Liebhaber hat und nicht wirklich Familien- kompatibel ist. Gili möchte, da sie ebenfalls als 3- jährige von der Mutter verlassen wurde, auf keinen Fall selbst Mutter werden. Eine Erbsünde jagt die nächste.

An Theatralik wurde nicht gespart. In besonders dramatischen Situationen stürmt und gießt es und beim Showdown auf der historischen Folterinsel Titos erwartet man fast einen Shakespeare ‘schen Luftgeist.

Metaphorisch wird es auch, wenn in Veras Erinnerungen an die qualvolle Zeit auf der Insel, ein Pflanzensetzling als Synonym für das Heranwachsen, das Leben wird und man an die Mutter- und schutzlose Nina denken muss.

Mir ist das des Guten zu viel.

Zwar schreibt Grossman in einer wunderbaren, bildhaften Sprache, mit herrlichen Einsprengseln jüdischen Humors, aber die Erzählung zieht sich, bis zur großen Erkenntnis Ninas.

Es ist ein Buch über Schul und Tapferkeit, über Liebe und Vergebung, aber wirklich erreicht hat mich die Botschaft nicht. Der fast Happy- End - artige Ausklang tat dann das seinige dazu.