Rezension

Zu viel gewollt...

Der Funke des Lebens - Jodi Picoult

Der Funke des Lebens
von Jodi Picoult

Bewertet mit 3 Sternen

Zu viel gewollt, dadurch spannungsarm und zu zerfasert. Das Thema 'Abtreibung in den USA' wird umfassend aber zu dominierend dargestellt.

Zwei Töchter im Teenageralter, zwei alleinerziehende Väter, ein Showdown in einer Frauenklinik in Jackson, im Bundesstaat Mississippi: Ein militanter Abtreibungsgegner dringt in die Klinik ein, eröffnet das Feuer und nimmt Geiseln. Polizeiunterhändler Hugh McElroy soll den Geiselnehmer davon überzeugen, sich zu ergeben. Während McElroy mit dem Täter verhandelt, wird offenbar, dass sich seine eigene Tochter in der Klinik befindet. Das absolute No-go in der Polizeiarbeit. Im Lauf des nervenaufreibenden Gesprächs erkennen die beiden Männer, dass sie einiges gemeinsam haben: Beide sind alleinerziehende Väter. Und beide Töchter haben ein Anliegen, das sie in Lebensgefahr gebracht hat… 

Eigentlich ein toller Ansatz für einen spannenden Roman, der sich außerdem auch noch der in den USA heiklen Frage rund um die Abtreibungsproblematik widmet. Eine Geiselnahme, ein zu allem entschlossener Täter, ein Unterhändler der Polizei, der mit dem Fall betraut wird - und seine unerwartete persönliche Verstrickung in den Fall, als er merkt, dass sich seine eigene Tochter in der Frauenklinik befindet.

Doch zwei Faktoren sorgten in meinen Augen dafür, dass dies nicht das von mir erhoffte Lese-Highlight wurde. Da wäre zum einen die Tatsache, dass die Autorin sich entschieden hat, die Geschichte rückwärts zu erzählen - also von einem bestimmten Punkt in der Gegenwart immer weiter zurück in die Vergangenheit. Und zum anderen wäre da die schiere Unzahl an Charakteren, die Jodi Picoult in diese Erzählung eingeflochten hat.

Zu Beginn des Romans war ich neugierig, wohin mich die Rückwärtserzählung letztlich führen würde. Ich merkte jedoch, dass mich die Geschichte dadurch im Laufe der Lektüre irgendwie verlor. Wenn ich beispielsweise bereits wusste, dass die Person xy ihren Schussverletzungen erlegen war, konnte ich im darauffolgenden Abschnitt, der z.B. eine Stunde davor spielte, nicht mehr mit ihr mitfiebern, ob sie der Bedrohung noch irgendwie entkommen könnte. Dieses Stilmittel der Rückwärtserzählung ging hier eindeutig zu Lasten der Spannung - das mag von der Autorin gewollt sein, um dadurch das Augenmerk vermehrt auf die Abtreibungsproblematik zu lenken, für mich ging der Schuss dadurch aber nach hinten los.

Jodi Picoult kann einfühlsam schreiben, mit verblüffender Leichtigkeit gelingt es ihr auch, dem Leser ihre Charaktere näher zu bringen. Nur hat das in diesem Roman nicht wirklich funktioniert. Das liegt vor allem daran, dass hier einfach zu viele Personen eine Rolle spielen, denen die Autorin im Verlauf der Erzählung eine Vita verleiht, eine Vergangenheit, die die jeweilige Position zum Thema Abtreibung nachvollziehbar werden lässt. Dadurch hat Jodi Picoult dafür gesorgt, dass nahezu alle Argumente für und gegen eine Abtreibung in den USA im Roman einen Stellvertreter erhalten, so dass das umstrittene Thema sich hier in möglichst allen Facetten präsentiert. Darüber gehen jedoch die einzelnen Figuren verloren - sie treten kurz ins Rampenlicht und verschwinden dann gleich wieder hinter dem Vorhang. Mir jedenfalls fiel es dadurch schwer, zu den Charakteren überhaupt einen Bezug zu bekommen.

 

"Eine Zygote, ein Embryo, ein Fötus, ein Baby - sie alle waren menschlich. Aber ab welchem Punkt benötigte dieses menschliche Wesen legalen Schutz? (...) Vielleicht sollte man nicht fragen 'Wann wird ein Fötus zu einer Person?', sondern: 'Wann hört eine Frau auf, eine zu sein?' " (S. 362 f.)

 

Das Engagement der Autorin für das heikle Thema 'Abtreibung in den USA' mit den so unterschiedlichen Gesetzesvorlagen je nach Bundesstaat, den oft militanten Befürwortern und Gegnern, der nicht zu unterschätzenden Gewaltbereitschaft von Abtreibungsgegnern und der Rolle des kirchlichen Einflusses ist hier in jeder einzelnen Zeile zu spüren. Auch in ihrem Nachwort macht Jodi Picoult deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema ist und wie intensiv und sorgfältig ihre Recherchen im Vorfeld dieses Romans ausfielen - aber für mich ist dies in der Form doch ein sehr amerikanisches Thema. 

Obgleich ich Jodi Picoult als Autorin sehr schätze, hat sie für mich in diesem Fall zu viel gewollt. Hinsichtlich der Abtreibungsproblematik sollte alles beleuchtet und kein Argument pro oder contra verschwiegen werden. Nur ging dies zulasten der Spannung und der Bindung des Lesers zu den Figuren des Romans. Ein wichtiges Thema, zweifelsohne, die Umsetzung jedoch hat mich leider nicht ganz überzeugt...

 

© Parden