Rezension

Zu viel Potential verschenkt

Young World - Die Clans von New York - Chris Weitz

Young World - Die Clans von New York
von Chris Weitz

„Wenn ich daran denke, wie oft ich mir gewünscht habe, dass mich unsere Eltern endlich mal in Ruhe lassen, wird mir schlecht.“ – Seite 55

Alle Erwachsenen sind tot. Auch alle Kleinkinder sind tot. Nur die Teenager leben noch. So simpel und doch so dramatisch nimmt sich die Situation in jener Welt aus, in der Donna und Jefferson (beide so um die 16 Jahre alt) nun leben oder besser: überleben. Auf jeglichen Komfort der modernen Zivilisation ist zu verzichten, an Elektrizität oder gar Internet ist nicht zu denken, da all jene Fachkräfte gestorben sind, die sonst das System am Laufen gehalten hätten. Weltweit ist das pure Chaos ausgebrochen. Doch Jeffersons und Donnas Clan kann das nicht einfach so hinnehmen. Sie wollen nicht an ihrem 18. Geburtstag sterben, sie wollen herausfinden, was die Erwachsenen hat sterben lassen und so machen sich fünf Clanmitglieder auf, um in der Bibliothek New Yorks nach den möglicherweise virologischen Ursachen der Apokalypse zu forschen…

Zugegeben: Der Plot klingt zwar nicht neu, aber ich bin trotzdem sofort Feuer und Flamme gewesen, als ich von diesem Buch hörte. Die Wirklichkeit, die der Autor in diesem Roman beschreibt ist doch eigentlich gar nicht so weit weg von uns. In Zeiten, in denen Giftgasanschläge in Syrien oder Ebola-Epidemien in Zentralafrika die Tagesthemen beherrschen, ist eine allgemeine Angst vor biochemischen Waffen durchaus berechtigt. Warum also nicht eine Geschichte über ein Virus, das alle Erwachsenen tötet?

Zunächst einmal sei dem Autor Chris Weitz zu Gute zu halten, dass er eine sehr ansprechende, bildhafte sprachliche Gestaltung an den Tag legt, was unter anderem auf seine Tätigkeiten als Drehbuchautor und Regisseur für Filme wie unter anderem „Twilight“ zurückgehen kann. Man sieht die zerstörte Stadt also wirklich vor sich und kann sich sehr lebendig in den Schauplatz einfühlen.

Mir hat es gut gefallen, welche Botschaft der Autor in diesem Buch transportieren möchte. Es werden nicht nur Jugendliche, sondern ganz breite Bevölkerungsschichten dazu angeregt, sich über ihr derzeitiges Konsumverhalten Gedanken zu machen. Wir werden mit dem Gedanken konfrontiert, dass unsere Welt sehr fragil ist und dass unser angenehmer und exzentrischer Lifestyle nicht von Dauer sein muss.

Dennoch hat dieses Buch eine Vielzahl von Schwächen, die meine Lesefreude und vor allem meine Erwartungen etwas gedämpft haben. So sind die Charaktere, die Chris Weitz uns da präsentiert nicht gerade originell. Wir finden mit Jefferson den klassischen Guten, den moralisch perfekten und nachdenklichen, jungen Anführer. Sein Freund Brainbox ist einfach nur eines: das postapokalyptische Wikipedia. Brainbox erfüllt einfach nur die Funktion, alles, was sonst niemand weiß oder was der Autor für die Handlung recherchieren musste, auszuspucken und dabei keine Persönlichkeit zu haben. Dann gibt es da noch Jeffersons Freund Peter, der einfach nur auf eine Eigenschaft reduziert wird: Seine Homosexualität. Peter kann über nichts anderes sprechen als andere Jungs und auch die anderen sprechen ihn nur deswegen an. Einzig Donna kommt als ausdifferenzierter Charakter mit ein wenig Tiefgang daher.

Die Handlung ist nicht weniger oberflächlich, da sie viele Brüche aufweist und von den Charakteren gar nicht reflektiert wird. Diese Jugendlichen töten, sie leiden und sie haben Angst, aber sie reden selten über etwas, das passiert ist. Wenn sie gerade so mit dem Leben davon gekommen sind, kommt da kein „Danke, dass ihr mir das Leben gerettet habt.“ oder „Das war jetzt aber gerade knapp, was?“. Nein, einfach stumpf weiter in der Handlung. Dadurch wirken die Figuren nicht menschlich! Ein Mensch muss so etwas verarbeiten, er muss sprechen!

Gegen Ende hin wurden die Brüche zunehmend größer, es passierte einfach irgendwas, man hat als Leser gar nicht mehr verstanden, wer jetzt wie was und warum und zack, war das Buch zu Ende. Kein guter Abschluss, der das Buch schlecht in Erinnerung behalten lässt.

Zu guter Letzt: Besonders emotional oder romantisch war es leider nicht. Man hätte sooooo viel aus den Gefühlen der Protagonisten machen können, da diese sich einfach in einer absoluten Ausnahmesituation befanden, doch die Liebesgeschichte überzeugte nur schwach, Trauer gab es faktisch gar keine und die Existenzängste hielten sich auch in Grenzen. Wirklich schade für ein Buch, das so außergewöhnlich hätte werden können.

Am 27.05.2016 soll ein Folgeband zu diesem Auftakt erscheinen.