Rezension

Zufluchtsort

Das Haus der Frauen - Laetitia Colombani

Das Haus der Frauen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 3.5 Sternen

Geschichtsstunde und aktueller Aufruf gleichermaßen. Kalkuliertes 'Auf-die-Tränendrüse-Drücken', dennoch interessant und inspirierend.

In Laetitia Colombanis neuem Buch 'Das Haus der Frauen' ist es einerseits der Palast der Frau in Paris, der vielen, vielen sozial benachteiligten, traumatisierten und geflüchteten Frauen, sowie auch der desillusionierten Anwältin Solène ein Zufluchtsort ist, andererseits wird auch das Schreiben zu einem Zufluchtsort für Solène. Und das Ergebnis dieses Schreibens ist wiederum 'Das Haus der Frauen'. 

Solène weiß nichts über die Geschichte des Palastes der Frau, als sie - um etwas Sinnvolles zu tun und sich somit selbst ein Stück weit aus ihrer Despression zu helfen - dort als öffentliche Schreiberin ihre Dienste anbietet. Nach und nach lernt sie die Frauen und den Rhythmus im Palast kennen und entwickelt dadurch einen anderen Blickwinkel auf ihre Leben und das Leben derjenigen, die nicht so viel Glück hatten wie sie. Schließlich stößt sie auch auf den Namen Blanche Peyrons und damit auf die Geschichte des Hauses an der Kreuzung Rue de Charonne/Rue Faidherbe, das mit über 600 Zimmern eines der größten Frauenhäuser weltweit ist. 

Der Roman von Laetitia Colombani springt zeitlich zwischen Solènes/der heutigen Gegenwart und dem Leben Blanche Peyrons und ihres Mannes, die beide der Heilsarmee angehörten, dort führende Positionen innehatten und 1926 das Gebäude, das zum Palast der Frau werden sollte, kauften. So lernt der Leser einerseits die Geschichte der Heilsarmee in Europa, der Peyrons insbesondere und des Zufluchtsortes in Paris kennen, andererseits erfährt er durch Solènes Augen, was Frauen in der heutigen Zeit an solchen einen Ort führt und welche grausamen Schicksale sie - beispielsweise - durchleben.

Durch Solènes wachsendes Mitgefühl wird der Leser indirekt aufgefordert, ebenfalls seine Augen für das Leid unserer Mitmenschen zu öffnen, durch die Geschichte der Peyrons bekommt er zwei unvergleichliche Vorbilder vorgestellt, die sich nicht nur engagiert haben, nein, die ihr ganzes Leben der Aufgabe, anderen zu helfen, verschrieben hatten. 

Colombanis Roman will daher in erster Linie berühren und bewegen. Durch den realen Schauplatz und die realen historischen Personen schafft sie direkt eine Verbindung zum Geschriebenen und gibt ihrer Botschaft so mehr Nachdruck. Die Einzelschicksale der vorgestellten Bewohnerinnen des Palastes sind dabei weder im Einzelnen wichtig, noch besonders, sie stehen sowieso nur beispielhaft für vieles, was heutzutage dem Einzelnen als Schicksal widerfahren kann. Auch Solènes Schicksal und Entwicklung sind nicht wirklich innovativ oder komplett überzeugend, doch dient ihre Person in diesem Buch ja auch mehr einem höheren Ziel - wie auch die Peyrons selbst als Personen kaum welt- oder auch nur europaweit bekannt sind, ihr Wirken aber für immer bleibt und Früchte trägt.