Rezension

Zukunftsszenario

Die Mauer - John Lanchester

Die Mauer
von John Lanchester

Bewertet mit 4 Sternen

„Es ist kalt auf der Mauer. Das ist das Erste, was einem jeder erzählt, und auch das Erste, was einem auffällt, wenn man dorthin versetzt wird.“ (Seite 9)

Mit obigem Satz wirft uns der Autor in seine fiktive Geschichte, in der England von einer Mauer umgeben ist, damit kein Flüchtling eindringen kann. Es gibt die einen, wie Joseph Kavanagh, von seinen Freunden nur Yeti genannt, die die Mauer verteidigen müssen. Diese Leute, ihre Ausbildung und Arbeit lernt man im ersten Teil des Romans kennen.

Im zweiten Teil geht es um „die Anderen“, die sich einen lohnenden Lebensraum erkämpfen wollen. Für jeden, der es schafft,von außen über die Mauer zu kommen, wird ein Verteidiger aufs Meer geschickt. Auch Yeti und einige seiner Kameraden ereilt dieses Schicksal, das im dritten Teil des Buches im Mittelpunkt steht.

Mich hat dieser Roman im wahrsten Sinne des Wortes mitgenommen. Ich fror zu Beginn und hätte das Buch während der langen Dienste auf der Mauer am liebsten in die Ecke geworfen, weil sich das Lesen ebenso zog, wie die Zeit für die Verteidiger. Doch irgendwie gelang es dem Autor immer wieder, meine Neugierde zu wecken. Ich habe große Teile des Buches nicht wirklich gern gelesen, wollte aber trotzdem wissen, wie es weitergeht.

Zwischendurch konnte ich mich sogar amüsieren, weil Yeti, aus dessen Sicht erzählt wird, einen „Babypolitiker“ beschreibt, der an unterschiedlichen Orten die gleiche Rede hielt. Pech, dass ausgerechnet er ihn zweimal anhören musste. Seine Gedanken dazu: „Wie mochte es sein, Befehle zu erteilen, während man so tat, als plaudere man nur, wie mochte es sein, die Leute herumzuschubsen, während man so tat, als würde man sie nur freundlich bitten, etwas zu tun? Man würde Dienstlinge haben, natürlich, Massen von Dienstlingen, Koch-Dienstlinge und Putz-Dienstlinge und Dienstlinge, die sich um die Kinder kümmerten, falls man welche hatte, und Chaffeur-Dienstlinge für das riesige Haus, das man besaß ...“ (Seite 200)

Vom der Geschichte her würde ich dem Buch drei Sterne geben. Aber die Schreibkunst des Autors und seine Komposition bewundere ich und gebe ihm dafür fünf Sterne. Summa summarum sind das also vier Sterne.