Rezension

Zukunftsvision, bitterböse und amüsant

Oryx und Crake - Margaret Atwood

Oryx und Crake
von Margaret Atwood

Bewertet mit 5 Sternen

Die Polkappen schmelzen, das Klima spielt verrückt, der Sommer ist jetzt im Februar und mittags kann man sich nicht im Freien aufhalten, weil dann die Mittagsgewitter kommen. Die Welt ist am Ende. Das hat man schon gelegentlich gelesen. Und obwohl Margaret Atwood dieses Buch lange vor dem großen Dystopien-Hype geschrieben hat, meint man, man liest hier eine neue, sehr finstere Variante. 

Voller Zynismus und sehr eloquent erzählt hier Schneemensch, wie es so weit kommen konnte. Früher, als die Welt noch in Ordnung war, hieß er Jimmy. Allerdings lassen die Zustände in dieser „heilen“ Welt schon staunen. 
Mit unglaublichem Ideenreichtum und gnadenloser Konsequenz spielt Margaret Atwood den Ernstfall durch. Wohin führen wohl Genexperimente, wenn Wissenschaftler Narrenfreiheit bekommen? Wie sieht die Gesellschaft aus, wenn Arm und Reich weiter auseinanderdriftet? 

Auch wenn der Klappentext eine zarte Liebesgeschichte andeutet, haben wir hier keine leichte Kost. Die zarte Liebesgeschichte ist eine Randerscheinung und man kann sie durchaus auch verstörend finden. Es geht um Jimmy, der Schneemensch wurde, seinen genialen Freund Crake, der ein Gott wurde und die geheimnisvolle Oryx, die ein Mythos wurde.
Dieses Endzeitszenario ist düster, beklemmend, irritierend und trieft vor beißender Ironie. Die ausgefeilte Sprache macht großen Spaß. Man schwankt zwischen Verwunderung und Entsetzen und amüsiert sich dabei.

Oryx und Crake stand lange unbeachtet in meinem Regal, was es wirklich nicht verdient hat. Es ist etwas ganz Besonderes, unterhält, beeindruckt und wirkt lange nach. Die beiden Folgebände stehen bereit, die werde ich jetzt direkt in Angriff nehmen und freue mich drauf.