Rezension

Zurück in Gilead …

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

Bewertet mit 4 Sternen

Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit Desfred von einem Lieferwagen abgeholt wurde: in Freiheit, ins Gefängnis oder in den Tod? Noch immer besteht der totalitäre Überwachungsstaat Gilead, in dem Frauen noch immer unterdrückt und als „Gebärmaschinen“ missbraucht werden, um dem Regime Nachwuchs zu liefern. Drei sehr unterschiedliche Frauen legen nun Zeugnis ab, berichten über die Gräuel und riskieren ihr Leben, indem sie mit dem System abrechnen wollen und der Untergrundgruppe Mayday zuarbeiten …  

Margaret Atwood, die am 18.11.2019 achtzig Jahre alt wurde, ist spätestens seit Erscheinen ihres Buches „Der Report der Magd“ 1985 weltweit bekannt für ihre Romane mit feministischen Themen. Für den Nachfolgeroman „Die Zeuginnen“ erhielt sie 2019 den renommierten Booker-Literaturpreis und ist mit 79 Jahren die älteste Preisträgerin in der 50jährigen Geschichte dieses Preises. Die kanadische Schriftstellerin lebt heute in Toronto.

Die Zeit der Abrechnung mit dem diktatorischen Regime in Gilead ist gekommen. Statt Desfred, die in „Der Report der Magd“ berichtet hatte, gibt es nun drei Ich-Erzählerinnen:

Tante Lydia (60), eine einstige Peinigerin von Desfred, hat Kenntnisse über die Intrigen der Regierenden und  zeichnet penibel und scharfsinnig die Fehler der Machthaber auf. Sie bringt sich damit selbst in Lebensgefahr.                      
Agnes (20), die in der Familie eines Kommandanten aufgewachsen ist, lässt sich zur ‚Tante‘ ausbilden um der drohenden Verheiratung zu entgehen und nennt sich nun Jemima. Sie kennt nur dieses Regime.                                     
Daisy (16), die bis zur Ermordung ihrer vermeintlichen Eltern in Kanada lebt und bereits als Baby aus Gilead heraus geschmuggelt wurde, wird als „Kleine Nicole“ vom Regime gesucht und soll nach Gilead zurückgeführt werden. Sie kommt heimlich zurück.

Die Geschichten dieser drei unterschiedlichen Frauen, ihre Schicksale und ihre Erfahrungen, hat die Autorin sehr gekonnt miteinander verwoben. Dabei hat jede ihren besonderen, individuellen Erzählstil, was die Berichte einzigartig und glaubwürdig macht. Durch den Wechsel der Perspektiven und Handlungsorte entsteht eine Dramaturgie, die den Leser fesselt und die Spannung hoch hält.

Da die Autorin das jetzt vorliegende Buch über dreißig Jahre nach Erscheinen von „Der Report der Magd“ geschrieben hat wäre es m. E. ratsam, zuvor den Report (noch einmal) zu lesen, um sich über Gilead und sein Regime einen besseren Eindruck zu verschaffen. Dann steht einem spannenden Lesegenuss nichts mehr im Wege.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Roman über ein fiktives Land, in dem Frauen unterdrückt und zu Gehorsam gezwungen werden. Macht nachdenklich und lässt hoffen, dass solche Verhältnisse bei uns nie eintreten werden.