Rezension

Zurück ins Leben

Tage ohne Hunger - Delphine de Vigan

Tage ohne Hunger
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT:

»Die Kälte in ihr sagte ihr, dass sie zwischen Leben und Sterben wählen musste.« Laure ist neunzehn Jahre alt und magersüchtig. Als die Krankheit lebensbedrohlich ist, wird sie in eine Klinik eingewiesen. Bei der Wahl für oder gegen das Leben hilft ihr vor allem der Arzt, dessen Patientin sie wird. Er ist der Einzige, der hartnäckig um sie ringt. Nach langer Zeit ist er der erste Mensch, dem sich Laure öffnet. Und sie erzählt von dem Teil ihrer Kindheit, der sie in diese Krankheit getrieben hat: das Zusammenleben mit ihrer psychisch kranken Mutter.
Drei Monate Krankenhausleben werden geschildert, drei Monate, in denen Laure ihren Todeswunsch überwindet und sich in ihr allmählich ein Lebenswille und sogar der Wunsch nach Freude am Leben wieder einstellt.

MEINUNG:

Von Delphine de Vigan wollte ich immer schon gerne etwas lesen und ich freut mich ein neues Buch von ihr in Rahmen einer Leserunde zu entdecken. Mit Tage ohne Hunger greift sie das schwere Thema Anorexie auf, welches auch autobiographische Züge enthält, wenn ich es richtig verstanden habe.

Laures Weg beginnt mit der Einweisung in die Klinik. Sie hat bereits ein lebensbedrohliches Gewicht erreicht und dies ist ihre letzte Chance am Leben zu bleiben. Den Wunsch zu überleben erweckt vor allem ein Arzt in ihr, der ihr das Gefühl gibt wirklich um sie kämpfen zu wollen. Man weiß, wie wichtiger er für Laure ist, aber in meinen Augen blieb er sonst relativ im Hintergrund. Was sicherlich auch daran liegt, dass die Geschichte komplett aus Laure Sicht erzählt wird und man keine Perspektive von außen auf Laure zu lesen bekommt (was sicher interessant gewesen wäre), aber es handelt sich hier um eine sehr persönliche Geschichte. Oft liest es sich wie ein Tagebuch.

Die Gründe für eine solche Erkrankung sind ja stets mannigfaltig, aber bei Laure spielt sicher auch das schwierige Elternhaus eine Rolle. Eine Mutter, die starke psychische Probleme hat und mehr mit sich selbst beschäftigt ist, als sich um Laure und ihre Schwester zu kümmern und einen Vater, der neu verheiratet ist, aber seine Kinder nur beschimpft als wären sie ihm eine Last. Das zu lesen hat mir wirklich innerlich wehgetan. Ich habe mich mal wieder gefragt, wie man so seine eigenen Kinder behandeln kann. Die Quintessenz daraus ist, dass Laure auf sich alleine gestellt ist und wenig Rückhalt hat. Scheinbar fällt es auch kaum jemanden auf, dass mit ihr etwas nicht stimmt.

Das Buch beschreibt Laures Zeit in der Klinik von der Einweisung bis zur Entlassung. Dort kommt sie auch in Kontakt mit anderen Erkrankten. Es wird nicht viel auf die gesundheitlichen Konsequenzen eingegangen, aber ein Freundin von ihr kann auf Grund der Magersucht nun keine Kinder mehr bekommen und ihr Mann droht ihr damit sie deswegen zu verlassen. Das hat mich wirklich sehr mitgenommen. Ansonsten begleiten wir Laure in ihrem Alltag und bei den kleinen Schritten, die sie macht, um wieder richtig zu essen. Laure inneren Kampf dabei fand ich sehr gut dargestellt. Das Buch weißt keine große Spannung auf Anfang und Ende sind relativ klar. Manchmal habe ich mich erwischt, wie meine Gedanken beim Lesen abgedriftet sind. Gerne hätte es auch noch ein paar mehr Seiten sein können. Ein wenig mehr Einblick  hätte ich mir noch gewünscht.

FAZIT:

Tage ohne Hunger lässt den Leser in den Gedanken- und Gefühlwelt einer an Magersucht erkrankten jungen Frau. Ebenso wie der Prozess der Heilung und des täglichen Kampfes mit dem Essen wird hier eindringlich beschrieben. Man sollte beachten, dass es sich hier nicht um einen Ratgeber oder eine ausführliche Erläuterung von Therapiemöglichkeiten handelt, sondern es ist Laures Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen.