Rezension

Zuviel des Guten

Er ist wieder da - Timur Vermes

Er ist wieder da
von Timur Vermes

Ein Seitenscheitel, ein Hitlerbärtchen - fertig ist die Satire?

Ein Buch – eine Bestsellerliste. Man kam die letzten Monate kaum vorbei an dem Buch mit dem prägnanten und doch schlichten Cover:

Ein Seitenscheitel, ein Hitlerbärtchen.

Grund genug, um den allgemeinen Hype nachvollziehen zu wollen und sich das Werk einmal zu Gemüte zu führen.

Auf Grund des (zwar lustigen, aber doch leicht überzogenen) Preises (19,33) entschied ich mich dazu, das Hörbuch zu kaufen.
Dieses überzeugte vor allem schon deswegen, weil Christoph Maria Herbst die Hitler- Stimme so gut nachmachen kann, dass der humoristische Fakt sowieso schon gegeben ist.

Die Geschichte ist relativ einfach gestrickt: Hitler wacht im Jahr 2011 in Berlin wieder auf und macht Karriere als Comedian, als grandioser Nachahmer, der selbst im Privatleben seine „Rolle“ eiskalt durchzieht. In einer Fernsehshow macht er erste Schritte, am Ende wird er sogar für den Grimme- Preis nominiert.

Das alles ist aufgelockert mit peppigen Dialogen, wie zum Beispiel zwischen der Produktionsleiterin der Sendung und dem vermeintlichen Hitler- Double:
Sie: „Übrigens, zu Ihrem Auftritt gleich… wir sind uns doch einig, dass das Thema Juden nicht witzig ist?“
Er: „Natürlich nicht! Ich pflege niemals über die Judenfrage zu scherzen!“

So weit, so gut.

Mein Urteil fällt dennoch nicht sehr positiv aus. Ja, das Buch ist irgendwie realistisch. Also nicht die Grundstory an sich – ich glaube nicht an Zeitreisen oder
Wiederauferstehung – aber alles, was danach passiert, halte ich für möglich. Aber: Das Hörbuch ist auf Dauer unglaublich nervig. Man kann nicht sechs CDs lang dieser Hitler- Stimme zuhören. Der lustige Effekt ist nach einer halben Stunde vorbei und dann denkst du dir nur: „Das war’s, ich höre jetzt doch lieber Radio.“ Auch im Buch kann ich mir die Endlosmonologe von Hitler nur sehr schlecht  vorstellen. Manchmal sinniert er minutenlang über die Vergangenheit und das in einem Ton und einer Sprache, die keinerlei Satire mehr durchblicken lässt.

Auch die vermeintlichen Comedy- Auftritte Hitlers sind mehr als dürftig und man schüttelt fast immer innerlich den Kopf, wenn davon gesprochen wird, dass das Publikum „tobte“ und „jubelte“, obwohl er keinen einzigen erkennbaren Scherz gemacht hatte, über den man lachen könnte. An dieser Stelle zeigt sich dann doch, dass das Buch eben wegen der grundlegenden Story ein Renner ist und nicht weil Timur Vermes ein herausragender Komödiant ist, der seinem Hitler zweideutige oder missverständliche Pointen in den Mund legen kann.Zweimal ist ihm das gelungen. Zweimal habe ich herzhaft gelacht. Aber das ist mir in 411 Minuten Hörbuch einfach zu wenig.

Über das Ende will ich eigentlich gar keine Worte mehr verlieren. Das Ende hat dem Ganzen dann noch die Krone aufgesetzt. Vermes hätte wirklich jedes erdenkbare Ende wählen können – aber doch bitte nicht dieses! Die (von mir verstandene) Symbolik und Aussage des Endes hat in mir den Verdacht, dass es sich hierbei um mehr Ernst als Spaß handelt noch verstärkt. Denn wenn ich mir erst 411 Minuten (unterbrochen von nur 2 wirklich großartigen
Szenen) anhöre, wie Hitler seine Taten rechtfertigt und mir dann noch dieses Ende gefallen lassen muss, dann gibt es nur zwei Deutungsmöglichkeiten:
Entweder, ich bin für diese Art der Satire nicht geeignet, weil ich sie nicht verstehe.Oder, Timur Vermes hat zwar in irgendeiner Form eine Satire geschrieben, aber sie mit der Zeit im Buch verloren. Und dann ist da bitterer Ernst. Im Grunde genau so, wie der Comedy- Hitler die Massen gewinnt: durch als Satire verstandenen Ernst.

Das mag genial sein, aber dafür ist mir das Thema einfach zu heikel.