Rezension

Zuviel gewollt

Die Optimisten - Rebecca Makkai

Die Optimisten
von Rebecca Makkai

Bewertet mit 2.5 Sternen

"Meine Freunde sterben alle oder sind schon gestorben, und ich habe das schon einmal durchgemacht. […] Jedes Mal, wenn ich seitdem in eine Galerie gegangen bin, musste ich an die Werke denken, die nicht dort hingen. Schattengemälde, wissen Sie, die niemand außer Ihnen sieht. Um einen herum sind all diese glücklichen jungen Menschen, und man merkt, nein, sie trauern nicht. Sie sehen die leeren Stellen nicht.“
Die Optimisten machen ganz schön die Runde. Gefühlt überall gibt es Lobeshymnen auf das Buch. "Das beste Buch des Jahres!", "Ein so wichtiges Buch!" da kam ich nicht dran vorbei. Auf englisch hatte ich es schon 2 Jahre auf dem Schirm, gehörte es zu den New York Times Top 10 Bücher des Jahres und u.A. das Buzzfeed Book of the year. Nun war es aber so, dass ich 2011 bereits ein Rebecca Makkai Buch ( "Ausgeliehen" ) las und dieses als höchstens mittelmässig in Erinnerung hatte. Das gibt kein Motivationsschub noch ein Buch der Autorin zu lesen. Jedoch sollten 7 Jahre ( US Erscheinungsdatum )  ausreichen, um sich als Schriftsteller zu verbessern und ich mag es Autoren zweite Chancen zu geben, eben in dieser Hoffnung. 
Lange habe ich gehadert diese Rezi schreiben... Gefühlt jedesmal wenn ein Buch online gehyped wird, stehe ich als Buhmann da und nörgel rum. Doch dann dachte ich, dass ich genau diese Rezensionen am liebsten lese und gerne sehe, wenn sich jemand gegen die Masse stellt. Warum soll ich das denn nicht tun? 
Das Buch besteht aus 2 Handlungssträngen. 
Einmal 1985 in Chicago. Yale und Charlie leben in einer monogamen Partnerschaft die ins straucheln gerät, als Yale auf der Beerdigung Niko's, eines gemeinsamen Freundes, kurz eine Auszeit braucht. Aids macht die Runde und niemand ist mehr sicher. Alle leben in Angst und Anspannung und versuchen dennoch zu leben. 
Der zweite Handlungsstrang spielt 2015 in Paris. Es ist die Geschichte Fionas, Niko's kleine Schwester, die ihre vermisste Tochter anhand eines Privatdetektives aufschnüffelt. 
Yale's Geschichte gefiel mir sehr, Fionas war und ist mir immer noch herrlich egal. Gerecht wäre daher der Split in der Mitte und 2,5 von 5 Sternen. Und das regt mich auf, weil es besser sein könnte.
Ich verstehe warum die Autorin dachte, sie brauche die 2. Ebene, es soll Spannung bringen in der 2015 Jahre mit Informationen geneckt zu werden um dann paar Seiten einen angeblichen Plottwist zu erleben. 
Ein Problem mit beiden Ebenen für mich ist allerdings der Drang der Autorin einfach jedes Ereignis das in den vorkommenden Jahre einzubinden. Wenn man 1986 Chicago googelt, ganz egal was für ein Ereignis rauskommt, Yale war da. Mit Fiona oder ohne, einer von beiden war da. 
Fiona ist 2015 in Paris? Natürlich erlebt sie den Terroranschlag vom 13. November hautnah mit! Oh und der erste Weltkrieg muss auch noch eine Rolle in dem ganzen spielen. Als wäre Aids nicht schon genug Thema, dass die Autorin halbherzig durcharbeitet. Bei fast 650 Seiten in der deutschen Ausgabe fehlte mir die Tiefe. Makkai arbeitet ihre Fakten und Daten ab, aber wirklich durchleben tat ich die als Leser nicht. 
Yale erlebt so viel schmerzhaftes und hier glänzt die Autorin auch, allerdings hätte man noch tiefer gehen können. Man stelle sich nur mal vor was sie alles hätte schreiben können wenn sie Fiona's Handlung raus gehalten hätte?! Ab und an trifft sie den Ton, nur um dann wieder irgendwelche Daten abzuarbeiten... 
"Wie sollte sie ihnen erklären, dass diese Stadt ein Friedhof war? Dass sie jeden Tag durch die Strassen liefen, wo ein Holocaust stattgefunden hatte, ein Massenmord der Gleichgültigkeit und Antipathie, und wenn sie durch einen kalten Luftstrom gingen, dann war das ein Geist, ein junger Mann, den die Welt ausgespuckt hatte, begriffen sie das nicht?" 
Mehr positives zum Schluss: Es liest sich echt angenehm und die Geschichte ist interessant. Makkai hat einige sehr diverse und sehr vielfältige Figuren erschaffen. Die Freundesgruppe die sie hier dem Leser näherbringt wirkt sehr real. Alle haben Fehler und Kanten, man ist auch mal genervt von den getroffenen Entscheidungen. Ich dachte bloss leider die ganze Zeit ein anderer Schriftsteller hätte mehr aus dem Material machen können. Ich denke aber für jemanden der noch keine Literatur zum Aidsausbruch in den 80er gelesen hat, kann dies ein angenehmer Einstieg in die Materie sein. 
In einer Rezi die ich gelesen hatte, hiess es Makkai liebt die Malerei so sehr, sie hat Tupfen der Geschichte auf die Leinwand gebracht, aber ein Bild wird es dadurch nicht.