Rezension

Zwei alltägliche Leben in einer patricharchalischen Gesellschaft

Die Geschichte eines neuen Namens - Elena Ferrante

Die Geschichte eines neuen Namens
von Elena Ferrante

Es waren einmal zwei Freundinnen, Lila und Lenù (Elena). Schusterstochter die eine, Pförtnerstochter die andere, die im Neapel der fünfziger Jahre aufwachsen, beschrieben in „Meine geniale Freundin“, Band 1 der Reihe, in dem wir die beiden Mädchen bis zu Lilas Hochzeit im Jahr 1960 begleiten. Obwohl nun gerade erst sechzehn Jahre alt, sind die Kinderjahre nun für beide vorbei, und der Ernst des Lebens beginnt. Mit dem Folgeband „Die Geschichte eines neuen Namens“ nimmt die Autorin Elena Ferrante ihre Leser wieder mit nach Süditalien, und begleitet die Entwicklung ihre Protagonistinnen über einen Zeitraum von sechs Jahren, nämlich von 1960 bis 1966.

Lila ist der festen Überzeugung, dass sie durch ihre Hochzeit mit dem Kaufmann Stefano, endlich auf der Sonnenseite des Lebens angelangt ist. Ein fataler Trugschluss, wie sich schnell herausstellt, denn ihr Ehemann macht Geschäfte mit der verhassten Camorra. Ihre Kritik daran quittiert er mit Faustschlägen, und die Ehe ist bereits gescheitert, noch bevor sie richtig begonnen hat. Aber im erzkatholischen Süditalien kommt eine Trennung nicht in Frage, im Gegenteil. Frauen haben den Mund zu halten und zu dulden, tun sie das nicht, werden sie selbst von ihren Geschlechtsgenossinnen mit Verachtung bestraft. Aber Lila schafft ihre kleinen Alltagsfluchten und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit einem Studenten. Dabei verschwendet sie keinen Gedanken an Elena, die schon seit längerer Zeit heimlich in ihn verliebt ist. Lila will ihn haben, Elena kann ihm ihre Gefühle nicht vermitteln, also verzichtet die und konzentriert sich wieder auf ihre schulische Ausbildung, macht ihren Abschluss und beginnt ein Studium in Pisa, aber bleibt dort die Außenseiterin, der man die Herkunft aus dem neapolitanischen „Rione“ schon von weitem ansieht. Doch für sie wendet sich das Blatt zum Guten, als sie auf ihre Fähigkeiten vertraut und ihr Leben in die eigenen Hände nimmt.

Eine Freundschaft und zwei Frauen, deren Herangehensweise an das Leben verschiedener nicht sein könnte. Die eine verharrt in den vorgegebenen Strukturen, die andere wagt den Ausbruch. Und wieder einmal zeigt sich, dass Bildung und Ausbildung die Tür zu einem selbstbestimmten Leben öffnen kann. Natürlich muss auch Elena Rückschläge einstecken, aber sie ist dafür weit besser gerüstet, und kann sich Schritt für Schritt aus den traditionellen Denkmustern ihrer Herkunft befreien. Obwohl Lila die aktivere der beiden Freundinnen ist, die sich ohne Skrupel das nimmt, was sie haben möchte, ist es doch Elena, die passive, zaudernde, die ihren Weg macht.

Wie bereits in dem Vorgänger legt die Autorin ihre Schwerpunkte zum einen auf die detaillierte Charakterisierung ihrer Hauptfiguren, auf die emanzipatorischen Aspekte, die deren Umgang mit den Herausforderungen des täglichen Lebens hat, zum anderen auf die Beschreibung des alltäglichen Lebens in der patriarchalisch geprägten, italienischen Gesellschaft, was aber auch direkten Einfluss auf die Beziehung der beiden Freundinnen hat. Es ist nicht die Zuneigung , die diese bestimmt, sondern die kleinen Rivalitäten. Und dies realistisch und glaubhaft zu transportieren, gelingt Ferrante sehr gut.

Für mich alles in allem keine große Literatur, sondern ein netter Schmöker für zwischendurch, nicht besonders anspruchsvoll, aber durchaus unterhaltsam.