Rezension

Zwei Arten der Sklaverei

Die Erfindung der Flügel - Sue Monk Kidd

Die Erfindung der Flügel
von Sue Monk Kidd

Ich hatte keine besonderen Erwartungen an dieses Buch, sondern hatte mich auf einen durchschnittlichen historischen Südstaatenroman über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem weißen und einem schwarzen Mädchen, gespickt mit der üblichen Sozialkritik, eingestellt. Doch ich wurde eines Besseren belehrt…

Anfang des 19. Jahrhunderts in Charleston bekommt Sarah zu ihrem elften Geburtstag von ihren Eltern die 10-jährige Sklavin Handful "geschenkt". Ein Geschenk, mit dem sie nicht nur nichts anfangen kann, sondern das ihr auch sehr unangenehm ist, weswegen sie vom ersten Moment an versucht Handful die Freiheit zu schenken, was ihr aber verwehrt wird.

Sarah und Handful erzählen abwechselnd von ihrem Leben. Als sie etwas älter sind, fasst Handful die Situation sehr treffend zusammen: sie sind beide Sklaven; bei Handful ist der Körper versklavt, bei Sarah der Geist. Sarah ist intelligent, sie möchte lernen und sie würde alles dafür geben, Anwältin werden zu dürfen, doch als sie zu rebellisch wird, wird ihr sogar jeglicher Zugang zu Büchern untersagt. Sarah und Handful gehen beide ihren Weg, und für beide ist es ein ungewöhnlicher Weg für Frauen und Sklavinnen ihrer Zeit.

Sarahs und Handfuls Leben werden beide genau beschrieben. Der Leser bekommt einen Einblick in das Leben der Sklaven und vor allem in die Denkweise der Weißen zu jener Zeit. Natürlich war vielen Weißen klar, dass die Sklaverei nicht richtig sein kann, aber so war es nun mal und es hat den Weißen ein angenehmes Leben beschert.

Sarah ist das "arme, reiche Mädchen", das nie heiratet und daher von der Gesellschaft nicht anerkannt wird. Bis sie merkt, dass sie nichts mehr zu verlieren hat und für ihre Ideale zu kämpfen anfängt, nämlich erst gegen die Sklaverei und dann auch noch für Frauenrechte. Erst am Ende des Buches erfährt man, dass dieser Roman auf historischen Tatsachen beruht und dass Sarah Grimké und ihre Schwester Angelina tatsächlich existiert haben und die ersten bekannten Frauenrechtlerinnen in den USA waren.

Was mir besonders gefallen hat, war, dass die Autorin sich mit ihren Figuren nicht beim Leser anbiedert. So war mir zum Beispiel von den Sklaven keiner besonders sympathisch, auch Handful nicht. Dadurch hat es die Autorin geschafft, dass mein Blick auf die Situation der Sklaven nicht verschleiert wurde. Auch von Weißen mochte ich niemanden besonders. Sarah war mir eigentlich ziemlich unsympathisch und ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass sie ein Produkt ihrer Zeit, ihrer Gesellschaft und ihrer Erziehung ist und natürlich nicht so handelt, wie ich es tun würde. Da mir jegliche Sympathien gefehlt haben, habe ich das Buch relativ objektiv gelesen und das fand ich in diesem Fall gut.

"Die Erfindung der Flügel" habe ich sehr gerne gelesen und es hat auch lange in mir nachgeklungen und mich zum Nachdenken gebracht.