Rezension

Zwei Männer, eine Maschine, eine Mission.

Die Parade - Dave Eggers

Die Parade
von Dave Eggers

Bewertet mit 5 Sternen

„Vor allen Dingen musste die Straße rechtzeitig für die Parade fertig werden. [..] Der Festzug würde sich aus der Hauptstadt Richtung Süden bewegen und das Ende des jahrzehntelangen Krieges ebenso symbolisieren wie den Beginn von Frieden und Wohlstand, der durch die Straße ermöglicht wurde.“ (S. 16/17)

Zwei Männer, eine Maschine, eine Mission.

In einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land soll eine Straße gebaut werden, die den armen Süden mit dem reichen Norden verbindet. Ein wohlhabender Industriestaat lässt zur Umsetzung des Projekts zwei Arbeiter und eine hochmoderne Asphaltiermaschine einfliegen. Zeit ist Geld und so muss die Straße bis zur großen Militärparade in 12 Tagen fertig sein. Was als Hilfsaktion beginnt, endet bald darauf in einer Katastrophe…

Diese Geschichte könnte sich überall zutragen, denn es werden weder das Land, noch die beiden Männer mit Namen genannt. Die beiden Arbeiter sind einfach Nummer Vier und Nummer Neun. Nummer Vier ist der Pflichtbewusste; ein Mann der klaren Regeln und Worte. Er will den Job schnell erledigen, um wieder Zuhause bei seiner Familie sein zu können. Das Land und die Leute interessieren ihn dabei kaum. Nummer Neun hingegen ist ein Lebemann und Genießer. Er mischt sich trotz Verbot unter die Einheimischen, möchte die fremde Kultur um jeden Preis aufsaugen und vernachlässigt darüber den eigentlichen Auftrag. Sein Helfersyndrom und seine Naivität bringen ihn dabei in enorme Schwierigkeiten.

„Es war Neuns Verantwortung, sich um solche Anomalien wie den Jungen auf der Straße zu kümmern. Neun konnte die Sprache und hätte sehr viel leichter in Erfahrung bringen können, woher der Junge kam und was er brauchte. Aber von Neun fehlte jede Spur, und er hatte es Vier überlassen was nicht nur den Zeitplan gefährdete, sondern auch das Leben des Jungen und das von Vier“ (S. 75)

Die Belanglosigkeit in Raum und Zeit, sowie die Anonymität der Figuren verleihen der Geschichte etwas parabelhaftes. Sie wird übertragbar und lässt Raum für vielfältige Interpretationsansätze. Die leicht überzeichneten Charaktere sind ebenfalls austauschbare Archetypen einer vordergründig wohlmeinenden Helfernation. Doch wer hilft hier eigentlich wem? Kommt die großzügig organisierte Entwicklungshilfe wirklich bei „den Richtigen“ an?

Nicht ohne Grund zählt Dave Eggers zu meinen absoluten Lieblingsautoren. Ich wurde wieder nicht enttäuscht. Mühelos spielt er mit Sprache und Stil und verleiht jedem seiner Romane den jeweils richtigen Ton. Mal ausschweifend-faselnd wie in „Bis an die Grenze“ (Josie!), dann wieder klar und minimalistisch wie in dem vorliegenden Werk. Dabei erkennt man dennoch immer seine Handschrift.„Die Parade“ trifft genau den Punkt, kein Wort ist zu viel oder zu wenig. Dave Eggers konfrontiert den Leser dabei nicht mit vorgefertigten Meinungen, sondern liefert Denkanstöße und ein folgerichtiges Ende. Genau das macht meiner Meinung nach sehr gute Gegenwartsliteratur aus

„Die Firma versicherte ihren Mitarbeitern, dass es nicht unhöflich war, stur geradeaus zu schauen, sich allein auf die Straße zu konzentrieren, Teil der Maschine zu sein. Die Einheimischen würden das verstehen. Ja, sie würden sogar mehr Respekt haben vor den Fahrern, wenn die sich unter keinen Umständen von ihrer Arbeit ablenken ließen. Der Bau einer brauchbaren Straße war eine wichtige Arbeit. Nichts, was links und rechts passierte, war wichtiger.“ (S. 29)