Rezension

Zwei Schwestern

Das Versprechen der Islandschwestern - Karin Baldvinsson

Das Versprechen der Islandschwestern
von Karin Baldvinsson

Bewertet mit 4 Sternen

„...Margarete spürte eine innere Unruhe in sich aufkommen, die sie manchmal ihrer Schwester gegenüber empfand. Eigentlich sollte es Helga nur recht sein, dass sie ihre Vergangenheit endlich hinter sich lassen konnten. Nichts und niemand wartete zu Hause auf sie...“

 

Wir schreiben das Jahr 1949. Margarete und Helga haben sich für ein Jahr zur Arbeit in Island verpflichtet. Margarete ist die Jüngere von beiden, deshalb durfte sie nur fahren, weil ihre Schwester mitkommt. Helga wollte erst nicht. Sie trauert um ihren Verlobten, der im Krieg geblieben ist.

Dann wechselt die Geschichte ins Jahr 2017. Pia fährt mit ihrer Großmutter nach Island. Dort feiert deren Schwester ihren 90. Geburtstag. Über viele Jahre gab es keinen Kontakt zwischen den Geschwister.

Die Autorin hat eine spannende und bewegende Familiengeschichte geschrieben, die in zwei Handlungssträngen erzählt wird. Nach und nach erfahre ich, was in den Jahren 1949 und 1950 in Island geschehen ist. Gleichzeitig erlaubt mir der Strang der Gegenwart einen Blick in das heutige Leben in Island.

Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Mit schönen Metaphern wird die karge Landschaft Island beschrieben.

 

„...Die Landschaft veränderte sich ständig, nun kamen sie öfter an steilen, dunklen Felswänden vorbei, in denen Vögel mit bunten Schnäbeln nisteten, und dann waren wieder die unendlichen Weiten zu sehen...“

 

Im Jahre 1949 erfahre ich etliches über das harte Leben im Nachkriegsdeutschland. Margarete freut sich auf den Neubeginn, Helga ist skeptisch. Doch als sie auf dem Schiff sind, wird es selbst Margarete mulmig. Beide kommen auf Bauernhöfe, die nah beieinander liegen. Während sich Margarete vorwiegend um Haus und Familie kümmert, arbeitet Helga in der Landwirtschaft mit. Ein junger Isländer hat es Margarete angetan. Eine einzige Nacht aber verändert alles.

Pia weiß nichts aus der Vergangenheit ihrer Großmutter. Ihre gelegentlichen Nachfragen stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Dabei hat sie selbst einige Probleme. Ihr Ex-Mann nervt am Telefon, von der Arbeit ist sie gestresst und übermüdet und ihre pubertierende Tochter Leonie will die Schule abbrechen. Und dann lässt auf der Fähre noch ein Isländer sein Auto laufen, ohne während der langen Wartezeit den Motor abzustellen.

Pia und ihre Familie werden freudig empfangen. Doch die Schwestern gehen eher distanziert miteinander um. Die Vergangenheit bleibt unter dem Teppich. Erst nach und nach werden die Geheimnisse aufgedeckt. Dabei ist Helga im Ort angesehen. Sie genießt mit 90 Jahren ihr Leben.

Als es endlich zum Gespräch kommt, stellt Pia fest.

 

„...Ich kann verstehen, was du sagst, Einsamkeit ist eine schlimme Sache. Menschen machen Fehler...“

 

Sehr gut werden die Gefühle der Protagonisten wiedergegeben. Ein neues Land zu betreten, ohne die Sprache zu beherrschen, macht einsam, weil ein Gesprächspartner fehlt. Die Geschwister sind 1949 sehr unterschiedlich mit dieser Situation umgegangen. Außerdem bot das Leben nicht viel Abwechslung. Ab und an gab es eine Tanzveranstaltung, selten ein Fest. Die Zeit der Dunkelheit und Kälte zog sich. Man kannte weder elektrisches Licht noch moderne Bäder.

Im Jahre 12017 wird deshalb besonders deutlich, wie sich das Leben, aber auch die Arbeitsbedingungen mittlerweile geändert haben. Doch auch 2017 spielen Gefühle eine Rolle. Pia ist ein gebranntes Kind. Will und kann sie sich auf eine neue Beziehung einlassen? Welchen Sinn macht ein Urlaubsflirt?

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es war nur ein unüberlegter Moment – und der hat zwei Leben verändert und geprägt.