Rezension

„Zwei verschiedene Wahrnehmungen derselben Szene.“

Menschliche Dinge - Karine Tuil

Menschliche Dinge
von Karine Tuil

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:
„Die Farels sind schön und reich, haben Einfluss und Macht: Jean Farel ist ein prominenter Fernsehjournalist, seine Frau Claire eine Intellektuelle, bekannt für ihr feministisches Engagement. Ihr Sohn Alexandre, gutaussehend, sportlich, eloquent, studiert an einer Elite-Uni. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, könnte man meinen. Doch eines Morgens steht die Polizei bei den Farels vor der Tür, eine junge Frau hat Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet. Die glanzvolle gesellschaftliche Fassade zeigt gefährliche Risse.

Inspiriert vom "Fall Stanford" und vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte, erzählt Karine Tuil in Menschliche Dinge von den Auswüchsen einer Gesellschaft, die auf Leistung und Selbstdarstellung getrimmt ist, in der sich jeder nimmt, was er haben will.“

Schreibstil/Art:
Ein Roman der völlig aus dem Leben gerissen ist. Alle Beteiligten sind so authentisch und greifbar beschrieben, dass ich durchgehend das Gefühl hatte, dass Karine Tuil eine wahre Begebenheit nacherzählt. Realistisch wirkt es unter anderem aber auch deswegen, da aktuelle Geschehnisse wie; der Weinstein-Skandal, die #MeToo-Bewegung oder die Strauss-Kahn-Affäre, mit eingebunden sind. 
Der Stil ist behutsam, intensiv und modern. Die Perspektive switcht zwischen den drei Betroffenen. Spannend wird es erst so richtig zu Mitte des Buches, denn erst dann erfährt man, wem die Vergewaltigung vorgeworfen wird. Vorher konzentriert sich die Autorin auf die Darstellung der Familie und deren Stand in der Öffentlichkeit. Diesen Part fand ich etwas zu langatmig und ziehe deswegen einen Stern bei der Beurteilung ab.

Fazit:
Dieses Meisterstück ist breitgefächert da ich festgestellt habe, wie einfach es die Frauen heutzutage haben, Männer (die in der Öffentlichkeit stehen) einer Vergewaltigung zu bezichtigen. Aber auch die Sicht eines Mannes, der mit viel Geld und seiner Selbstdarstellung beeinflussend ist.
Das Buch regt zum Nachdenken an, spiegelt ruinierte Schicksale und die Zerstörung der Beziehung zwischen Männern und Frauen wieder.

Ein Buch dessen Tiefe, Vielfalt und das Ausmaß einer Aussage mich völlig in seine Bann gezogen hat. Das Thema könnte aktueller nicht sein. Es ist spannend und erschreckend zugleich zu beobachten und zu erfahren welchen Prozess sowohl der Täter als auch das Opfer durchmachen müssen. Vor allem wie sich beide Ansichten auf eine (mögliche) Beziehung auswirken und wie vorsichtig beide Geschlechter mit ihrem Gegenüber umgehen.