Rezension

Zweigespalten...

Der Lukas Rieger Code - Lukas Rieger

Der Lukas Rieger Code
von Lukas Rieger

„[…] selbst ein Stück Pizza kann verbinden.“ (S.196, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Mit diesem passenden Zitat möchte ich die Rezension über die Biographie des achtzehnjährigen deutschen Musikers, der v.a. durch seine Social-Media-Kanäle Berühmtheit erlangt hat und oftmals auch als „der deutsche Justin Bieber“ tituliert wird, beginnen. Vorneweg, ich habe nichts gegen den jungen Künstler, der sich schon viel Hass im Internet gegenüber stellen musste. Ich finde seine Musik ganz in Ordnung; einige Tracks sind ein echter Ohrwurm, andere kommen etwas zu belanglos daher, als dass sie mich emotional mitreißen könnten. Mit recht niedrigen Erwartungshaltungen bin ich an das Buch herangegangen, da es nicht wirklich gute Resonanzen erhalten hat. Wie ich mit der Biographie des jungen Musikers zurechtgekommen bin, das möchte ich euch im Folgenden mitteilen.

 

 

Worum geht’s?

Lukas Rieger ist ein Phänomen: Die Mädchen liegen ihm zu Füßen; seine Musik wird auf YouTube 3,7 Millionen mal geklickt; er ist 18 und kann tagsüber nicht mal mehr in einem Snipes-Shop unbehelligt Schuhe kaufen, ohne dass die Security eingreifen muss. Er ist ein Star und Teenie-Schwarm. Er ist "der deutsche Justin Bieber". Aber welcher Mensch verbirgt sich hinter diesem Jungstar? Was treibt ihn an? Was macht ihn aus? Wie hat er den Pop-Olymp erklommen? In "Der Lukas Rieger Code" erzählt er selbst ganz privat, wie er das alles geschafft hat, wie wichtig ihm Freunde und Familie sind und was er sich von der Zukunft verspricht.

 

 

Was lässt sich darüber sagen?

„Ein Star muss ein Produkt präsentieren können, und das besser als alle anderen." (S.106, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Man kann von ihm halten, was man möchte, aber in seinem vorliegenden Werk berichtet er seinen bisherigen Lebensverlauf glaubwürdig aus seinen eigenen Augen. Er erklärt uns seine Welt und seine Weltansichten sehr ehrlich und direkt, ohne dabei scheu zu werden vor Informationen bzw. Handlungsstränge, die ihn vielleicht nicht im besten Licht darstellen.

 

Über den Schreibstil lässt sich ebenfalls streiten. Einerseits vertieft es die „persönliche Note“, die Lukas in seinem Werk an den Tag legt, da er sich ziemlich direkt ausdrückt. Es fühlt sich teilweise wirklich so an, als würde der Jugendliche wirklich mit dem Leser kommunizieren, wie in einem alltäglichen Gespräch. Andererseits musste ich zahlreiche Male die Augen verdrehen, denn die Anzahl, in welcher in dem Buch die Worte „krass“, „geil“, „Shit“ etc. auftauchen, lässt sich genauso als Formulierungsschwäche anbringen. Wäre „Der Lukas Rieger Code“ ein Schulaufsatz, dann wären die kompletten Seiten rot angestrichen, aus den Gründen „ständige Wiederholungen“ und „fehlendes Ausdrucksvermögen“.

 

Außerdem bin ich fast erschrocken über die Werte, die der jugendliche Musiker seinen Lesern mit auf den Weg geben möchte. Seine Wertevorstellungen in der heutigen Gesellschaft stützen sich auf Angaben der Social-Media-Welt wie Likes oder Viewers.

 

„Nach all der Zeit und Mühe kam ich dann schließlich auf tausend Likes, aber das war eigentlich ein Witz und hat mich nie wirklich zufriedengestellt.“ (S.162, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Im folgenden Satz vertieft sich dieser Gedanke ebenfalls:

„Und ich freue mich jeden Tag unglaublich darüber, wenn ich sehe, dass ich ein Foto poste, und ich sehe, dass es über 100.000 Likes bekommt in kurzer Zeit. Das ist eine tolle Bestätigung für all den Aufwand, den ich seit Jahren betreibe.“ (S.181, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Zudem verstärkt sich zunehmend der Eindruck, dass es dem Protagonisten des Buches – und somit auch unserem Erzähler – nicht um die Musik an sich geht und die Gefühle, die er darüber transportieren möchte, sondern immer nur um Zahlen. Er will mehr Zuschauer, mehr Follower, mehr Singles- oder Alben-Verkäufe.

 

„Ich bin [noch] abhängig von Instagram – und dem System dahinter.“ (S.182, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Darüber hinaus  ist es ihm äußerst wichtig, dass viele Leute ihn kennen und seine Musik anhören und „fresh“ finden (auf ungefähr jeder Seite vorliegenden Buches aufzufinden). Diesen Wunsch vertieft er auf zahlreichen Seiten, widerspricht sich selbst jedoch im nächsten Kapitel wieder:

„Ich selbst sehe mich eigentlich als einen ganz normalen Jungen und überhaupt nicht als Star.“ (S.235, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Die Reihenfolge, in welcher Lukas Rieger seine verschiedenen Lebensabschnitte erzählt, wird mir bis zum Ende nicht geläufig. Die erste Hälfte berichtet er chronologisch, mit einigen Zeitrückblenden, in der zweiten Hälfte jedoch entdeckt man als Leser überhaupt keine Struktur mehr hinter dem Erzählten. Es gibt jetzt nur noch thematische Überschriften, welche die darauffolgenden Kapitel aufgreifen, und diese fördern keine neuen Erkenntnisse zutage. Der Autor wiederholt ständig schon aufgestellte Thesen, ohne etwas Neues zu ergänzen.

 

„Ich bin Musiker, und ich möchte auch vorne stehen und nicht zugucken, wie andere gepusht werden, während ich warte und hoffe, irgendwann selbst dran zu sein.“ (S.122, „Der Lukas Rieger Code“)

 

In der ersten Hälfte fand ich das, was er zu erzählen hatte, teilweise sogar ziemlich spannend, weil man als Leser wirklich den berühmten „Blick hinter die Kulissen“ bekommen hat. V.a. an den Stellen, an denen er über die Castingshows wie „Das Supertalent“ oder auch „The Voice Kids“ berichtet hat, war mein Interesse geweckt. Auch beweist er an einigen Stellen die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Er erkennt mit Schrecken, dass er in seinem außergewöhnlichen Leben, für das er sich entschieden hat, andere Werte als „normal“ erachtet, als andere Gleichaltrige.

 

„Wenn ich eine weiße Hose will und mir unsicher bin, dann bestelle ich halt drei Stück, die mir gefallen, und dann wird schon eine dabei sein, die tatsächlich auch perfekt sitzt.“ (S.251, „Der Lukas Rieger Code“)

 

Letztendlich bleibt bei mir ein zweigespaltener Nachgeschmack kleben. Einerseits hat er in der ersten Hälfte Interessantes zu erzählen, sodass man wirklich mit Interesse dabei ist. Andererseits aber stört mich als Leser der Schreibstil, der zwar modern ist, aber dann dennoch etwas zu dick aufgetragen wurde, die Werte, die uns der Autor mit auf den Weg gibt und in seinem Akt der Selbstreflexion nicht auflöst und die unstrukturierte Erzählweise in der zweiten Hälfte, die sehr zu meiner Langeweile beigetragen hat. Außerdem ist der angesetzte Preis von glatten 18,-€ für ein broschiertes Buch mit nicht einmal dreihundert Seiten viel zu hoch. 

 

 

Wie gut ist es?

„Der Lukas Rieger Code“ ist gewiss für diejenigen, die sich für den jungen Künstler, der zweifelsohne seine Daseinsberechtigung hat und für das, was er bereits erreicht hat, meinen Respekt verdient, interessieren, sehr interessant. Alle anderen sollten hier wahrscheinlich lieber die Finger davon lassen.