Rezension

Zwiegespalten

Laufen - Isabel Bogdan

Laufen
von Isabel Bogdan

Bewertet mit 3 Sternen

Wir lauschen dem inneren Monolog einer Frau Anfang vierzig, die ihren Lebensgefährten nach 10 Beziehungsjahren durch einen Suizid verlor. Sie muss nun nicht nur mit diesem unfassbaren Verlust zurecht kommen, sondern auch mit der verpassten Möglichkeit, ein Kind zu bekommen.

Der Leser begleitet sie 2 Jahre lang, in denen sie Schritt für Schritt das Geschehnis verdaut und wieder etwas Stabilität und Lebensfreude erringt.

Da im Klappentext nur von Verlust die Rede war, wußte ich nicht, dass es um Suizid ging. Ich hätte das Buch sonst nicht gelesen oder an einem anderen Tag mit einer anderen Vorerwartung. Vor wenigen Monaten hat sich nämlich im Freundeskreis ein Familienvater das Leben genommen und ich hab das noch nicht gut verarbeitet. Es ist kein "normaler" Verlust, wenn jemand sich selbst das Leben nimmt.

Als Leser ist man nah bei der Protagonistin. Ihre vorherrschenden Gefühle sind natürlich Traurigkeit und Wut. Wut auf ihn und auf sich selbst. Immer wieder macht sie sich Vorwürfe, nicht genug für ihn da gewesen zu sein. Immer wieder ringt sie um Fragen, auf die sie letztlich keine Antworten mehr bekommen wird. Man erfährt ein wenig über den Verlauf der Beziehung, die irgendwann aufbrechende Depression ihres Lebensgefährten, die erstmal behandelt, aber dennoch nie so recht verstanden und beim zweiten Auftauchen nicht recht wahrgenommen wird.

Die Protagonistin vermisst ihn unendlich, "diese entsetzliche Lücke", die nun da ist. Sie sehnt sich nach Berührung und hadert mit der Einsamkeit.

Auf Drängen ihrer sehr hilfreichen Freundin beginnt sie wieder mit dem Laufen. Wertvolle Unterstützung erhält sie zudem von einer Therapeutin und ihren Musikerkollegen (sie spielt Bratsche in einem Quartett und Orchester).

Ihr innerer Monolog ist sehr realistisch und überzeugend dargestellt, hin und wieder durch redundantes Gedankenkreisen, Abschweifungen und Sinnieren über Banalitäten gekennzeichnet. Dennoch kurzweilig, bisweilen gar humorvoll und bissig zu lesen, mit einigen berührenden Momenten. Die Sprache, oft Umgangssprache, ist recht einfach gehalten, für meinen Geschmack aber etwas zu einfach.

Ich finde es von der Autorin sehr mutig, dieses unbequeme und schwierige Thema angefasst zu haben. Sie hat wirklich sehr gut recherchiert und wesentliche Elemente zusammengetragen, die solch ein Ereignis sehr treffend beschreiben. Zudem hat sie sehr viele hilfreiche Dinge aufgezeigt. Aber insgesamt war mir das alles doch zu brav, zu zahm, zu seicht und vor allem auch zu wenig, zu oberflächlich und zu schnell. Zwei Jahre eines solch komplizierten Trauerprozesses in einen kurzen Text zu komprimieren (das Ebook hat 121 Seiten) ist schwierig und reichte für mein Erwarten nicht. Ich verblieb nach dem Lesen daher etwas enttäuscht und ärgerlich.

Im Klappentext sollte auch unbedingt erwähnt werden, dass es um Suizid eines Lebensgefährten geht, so dass man da nicht unvorbereitet ist, gerade, wenn man hierzu eigene, frische Erfahrungen verdauen muss.

Ich glaube, für Depressionsbetroffene ist die Lektüre gar nicht zu empfehlen, da so deutlich wird, wieviel Schaden diese Krankheit anrichten kann, ohne diesbezüglich Hoffnung und Verständnis zu geben.

Für Leser, die von diesen Thematiken unbelastet sind, kann dieser kleine Roman jedoch einen gut lesbaren, berührenden und interessanten Einblick bieten.