Zwiespältig
Bewertet mit 3 Sternen
Das Buch „Aus dem Haus“ von Miriam Böttger lässt mich ein wenig zwiegespalten zurück.
Das Buch hat für mich richtig gut angefangen, ich mochte die Schreibweise und auch den Stil der Autorin, etwas zu beschreiben. Herrlich ironisch und sehr trocken, teilweise sehr distanziert und emotionslos, beobachtet und kommentiert sie Situationen in ihrer oder einer Familie. Ich fand das sehr treffend und habe mich auch mehr als ein paar Mal ertappt, dass ich mich oder meine Familie wiedererkannt habe und auch deswegen vieles nachvollziehen konnte. Manche Szenen waren für mich sogar so real, dass es schon wehgetan tat, sie zu lesen und kommentiert zu bekommen.
Ich habe aber auch von Anfang an das Gefühl gehabt, dass es um viel mehr geht als um das HAUS, aus dem die Eltern schon lange ausziehen wollen. Es kann aber auch sein, dass ich zu viel da hineininterpretiere. Auf jeden Fall leben die Eltern in einem sehr großen und geräumigen Haus in Kassel und vor allem die Mutter fühlt sich weder im Haus noch im Wohnort Kassel wirklich zu Hause und auch dementsprechend unwohl in ihrem HAUS. Dass das Wort HAUS in dem Roman immer groß geschrieben wird, fand ich auch sehr bezeichnend. Mit ihren negativen Gefühlen und Gedanken, mit ihrem Verhalten belastet sie immer mehr ihre Familie, aber vor allem sich selbst.
Und da wird und wurde es für mich schwierig. Ich hatte das Gefühl, dass die Mutter nicht nur eine Schwarzseherin ist, die alles und jeden ins negative Licht stellt, sondern an einer ernsthaften Depression oder auch depressiven Verstimmung leidet. Gerade in einer Phase, wo sich die Mutter komplett zurückzieht, konnte ich über irgendwelche saloppen Kommentare nicht mehr schmunzeln.
Ich hatte schon früher im Buch beim Lesen meine Augenbrauen hochgezogen und die Stirn gerunzelt, weil ich mir jetzt nicht sicher war, ob das jetzt eine geniale Beobachtung und Feststellung und Entlarvung von Menschen ist, denen es objektiv und mit allen Drum und Dran richtig gut geht und sie trotzdem immer was zu meckern haben, da sie auch unfähig sich, irgendwas zu ändern und stattdessen lieber in der Situation bleiben und weiter meckern und jammern.
Auch dass man, wenn man denn nun das „Meckerungswürdige“ hinter sich gelassen hat, es dann aber plötzlich im besten Licht erscheint, fand ich sehr treffend.
Die langen Sätze im 223 Seiten Buch sind mir zwar aufgefallen, haben mich jedoch nicht weiter gestört. Die einzelnen Anekdoten fand ich teilweise amüsant, aber manches auch irgendwie unnötig, so dass ich sogar schon bereit war, Kassel und die Bewohner zu verteidigen.
Beim letzten Kapitel spürte ich allerdings eine Nähe zur Ich-Erzählerin, die ich beim Lesen oft vermisst habe. Ich hatte das Gefühl, dass die Stimmung eine ganz andere wurde und war wirklich tief getroffen. Und der Schlusssatz hat für mich, entgegen der Meinung der Autorin, persönlich absolut gepasst.
Ich tue mich daher auch ein bisschen schwer mit der Sternebewertung, vergebe dann doch erst mal drei gute Sterne und eine gute durchschnittliche Bewertung.