Rezension

Zwinkernde Stammtischsadomasochisten

Grey - Fifty Shades of Grey von Christian selbst erzählt
von E L James

Bewertet mit 0.5 Sternen

Vielleicht schwebt über E. L. James derzeit ein kreatives Hoch.

Nachdem sie bereits tausende begeisterte Leserinnen und Leser, mit einem zwinkernden Auge die unverkennbare Verkettung von allseits akzeptierten Liebeskonstellationen und dem Kapitalismus – der hier, wie im wahren Leben das Intimste des Privaten bestimmt - näher brachte und mit schelmischem Witz sogar den biedersten Stammtisch-Sadomasochisten bei Flogger und Schnittchen den Spiegel vorhielt, wartet die vor Geist und sprachlicher Brillanz strotzende Autorin nun mit einem neuen Kunstgriff auf:

Eine Verschiebung der Perspektive in Richtung der prototypischen Virilität der misogynen Romantikschablone des 21. Jahrhunderts!
Eine kokette Wendung der Dramaturgie der thematischen und kulturellen Kohärenz ihrer literarisch und philosophisch ausdifferenzierten Gesellschaftskritik, die wir E.L. James blindlings zugetraut hätten, doch es keimt die beschämende Frage, wie wir, als begeisterte Rezipienten, nicht selbst auf diese verheißungsvolle Idee kommen konnten.
Es bleibt das Geheimnis der Autorin, sich der scheinbaren Banalität und des vermeintlichen Determinismus des biologischen Geschlechts auf Samtpfötchen zu nähern und durch eine sezierend-soziologische Öffnung des Stereotyps, auf das hinzuweisen, was in unserer Gesellschaft, ja in uns selbst, krankt.

Indem E. L. James die Pforten auch für das Innenleben des männlichen Parts ihres Stückes öffnet, ermöglicht sie Leerstellen zu füllen, Ambivalenzen zu beseitigen, Kohärenz herzustellen und neue Sinnschablonen zu konstruieren. So ist vorstellbar, dass der Rezipient nun mehr aus Christians Vergangenheit erfahren wird und wir können uns alle vorstellen, welch ein Spaß es werden könnte, den Stereotyp des Stereotyps bei seiner Sozialisation zum brutalen, kühlen, Muskelmillionär mit weichem Herz und schlagkräftigen Argumenten zu beobachten. Ob seine Baselballerfolge wohl vom Vater nie geachtet wurden? Oder, ob seine Mutter zu viel arbeite? Wurde er als Kind nicht gestillt? Bald werden wir herausfinden, mit welchen kulturellen Konnotationen die Autorin hier arbeiten wird.

Durch Christians Augen, das bereits vollständig dargelegte Thema erneut zu entdecken, verspricht nicht nur großes Lesevergnügen, sondern auch vertiefende Einblicke in unser verschobenes Verhältnis zu unseren Partnern, unseren Mitmenschen des anderen Geschlechts, zu unserer Natur und letztendlich auch zu uns selbst.

Kommentare

Emswashed kommentierte am 07. April 2019 um 08:14

:-))))) Ich liebe Sarkasmus!

wandagreen kommentierte am 06. Oktober 2019 um 17:00

Libby, du fehlst uns hier!