Rezension

Zwischen abstoßender Realität und grauenhaftem Horror-Märchen

Pepper-Man - Camilla Bruce

Pepper-Man
von Camilla Bruce

Bewertet mit 5 Sternen

Die bekannte Autorin Cassandra Tripp ist spurlos verschwunden. Zurück bleibt ein schauriges Manuskript, das sich direkt an ihre Hinterbliebenen wendet und ein abscheuliches Geheimnis enthüllt.

"Pepper-Man" ist ein Gruselmärchen, das sich in diesen kleinen, finsteren Spalt zwischen abstoßender Realität und grauenhafter Horror-Vorstellung ins Herz der Leser brennt. 

Aufgrund des Klappentexts bin ich auf diese Geschichte neugierig geworden. Zwar deutet das Cover eher in Richtung Fantasy, aber ich hatte eine gruselige Lektüre mit Gänsehautfaktor vermutet. Bekommen habe ich so viel mehr. Der Schauer ist definitiv vorhanden, wenn auch auf mehreren Ebenen, die Autorin Camilla Bruce in absoluter Perfektion bedient.

Die Schriftstellerin Cassandra Tripp ist verschwunden und niemand weiß, wohin es sie verschlagen hat. Ist die einsiedlerische Exzentrikerin verunglückt? Ist sie gestorben oder hat sogar den Freitod gewählt? Hat sie sich abgesetzt, um ihrer Popularität auf einer karibischen Insel zu entgehen? Oder ist sie in ihre fantastische Welt abgetaucht, die nur wenigen Menschen offen steht?

Jedenfalls hat sie für ihre Nichte und ihren Neffen ein Manuskript hinterlassen, in dem sie den beiden Erben ihre Geschichte erzählt. Und diese Geschichte fährt wie eiskalter Wind durch die Knochen, dreht den Mageninhalt um, und lässt erstaunt die Augenbrauen hochziehen, weil sie arg, grausam und märchenhaft ist.

Camilla Tripp hat mit "Pepper-Man" ein vielschichtiges und tiefgreifendes Werk geschaffen, das sich nur schwer rezensieren lässt. Wichtig ist, dass es auf real-emotionaler Ebene auf sexuelle Übergriffe, Kindesmissbrauch und familiäre Gewalt eingeht. Gleichzeitig entführt die Autorin in eine Fabelwelt, die magisch, fantastisch und außerordentlich gefährlich ist.

Der Erzählstil ist bissig, manchmal grimmig, offen und bemerkenswert fesselnd. Ich konnte mich kaum von den Seiten lösen, weil die Geschichte ungewöhnlich und packend aufgebaut ist. Es beginnt mit Cassandras Kindheit, zieht sich über die Jugendjahre, hinein in das Leben als Erwachsene und endet da, wo die Protagonistin ihr Vermächtnis ihren Angehörigen übergibt. Es handelt von Zurückgezogenheit, Ab- sowie Ausgrenzung und eine Zuflucht, welche die Hauptfigur gefunden hat. 

Camilla Bruce spielt mit dem feinen Riss zwischen Fiktion und Realität. "Pepper-Man" lässt sich als verstörende Wahnvorstellung oder fantastisches Gruselmärchen betrachten. Dabei liegt es am Leser selbst, die Wahrheit für sich zu finden. 

Einerseits greifen fantastische Elemente in die Erzählung der Protagonistin ein. Düstere Magie mischt in ihrem Leben mit, die sie von ihrem sozialen Umfeld trennt. Andrerseits ist es ein unheilvoller Grundton, der deutlich zeigt, dass man sich als Leser in der Version einer gestörten Wahrnehmung bewegt. Autorin Camilla Bruce nutzt geschickt Metaphern, arbeitet mit Sinnbildern und breitet einen dunklen Fantasy-Mantel über eine erschütternde Geschichte, deren Grauen der Realität entspringt.

Bei mir hallt dieser Roman nach und beschäftigt mich. Während des Lesens zog es mich in unterschiedliche Richtungen, hat mir dabei definitiv außergewöhnliche Momente und Anstoß zum Nachdenken beschert.

Ich empfehle "Pepper-Man" an Leser, die sich mit schwierigen Themen auseinandersetzen und sich gleichzeitig - wie ich - durch einen Hang zu dunklen Geschichten auszeichnen. Für mich ist es ein beachtenswerter Roman, der mich nachhaltig bewegt.